11.07.2010 - 9:15 Uhr - 17,94 km / 2.235 Hm+ / 336 Hm-
Den Zugspitzlauf eine Woche nach dem TVSB bestreiten? Was anfangs nur Spinnerei war machte ich im Frühjahr durch Einzahlen der Startgebühr von 68 Euro dingfest. Nun mußte ich auch ausbaden was ich mir da eingebrockt hatte.
Nur hatte ich eben nur noch ein paar Nachwehen von Verbier, mit denen ich nicht gerechnet hatte. Da waren noch die, trotz ständiger Kühlung, immer wieder dick werdenden Füße (besonders der rechte) und die Abschürfung am Hintern, welche bei großen Schritten oder beim Anwinkeln des Beines immer wieder Schmerzen bereitete. Für den rechten Fuß hatte ich mir extra aus der Apotheke eine Bandage geholt.
Es ist die 10. Auflage des Zugspitz-Extremberglaufes, der 2008 negativ in die Schlagzeilen geriet, weil es nach einem Kälteeinbruch zwei Todesopfer zu beklagen gab. Voriges Jahr hatte ich mich auch für den Lauf angemeldet, er sollte eine Woche vor dem K78 in Davos eine letzte "intensive Trainingseinheit" werden. Doch Dauerregen und 60cm Neuschnee auf dem Gipfel verhinderten dies. Es gab eine Ausweichstrecke zur Grubigalm, aber viele sprachen danach vom Zugspitzlauf, obwohl man gar nicht Deutschlands höchsten Berg bezwungen hatte.
Doch dieses Jahr soll alles anders werden. Seit Tagen herrschen hochsommerliche Temperaturen im Wettersteingebirge. Die Prognose für das Wettkampfwochenende besagt, daß es beim "Zehnten" zum viertenmal auf den Gipfel geht.
Nach 5 Stunden Fahrt ist Ehrwald erreicht. Es ist keine Wolke am Himmel zu sehen und die Temperatur im Tal geht auf 30°C zu. Ute und ich beziehen dort Quartier, wo ich im Vorjahr mit Jens und Björn übernachtet hatte. Dieses Jahr ist nur kein Fernseher auf dem Zimmer und am Abend spielt Deutschland gegen Uruguay um den 3. Platz bei der Fußball-WM. In Ehrwald werben sie natürlich an jeder Ecke, das man das Spiel auf Großbildschirmen in diversen Kneipen verfolgen kann. Wir holen aber nur noch die Startunterlagen im Zugspitzsaal, essen auf dem Balkon der Herberge Abendbrot und gehen relativ zeitig ins Bett.
Mit wolkenfreiem Himmel und einer phantastischen Sicht auf das Wettersteingebirge beginnt der Wettkampftag. Gefrühstückt wird in der Pension, danach bandagiere ich mein rechtes Fußgelenk und mache mir noch meinen Trinkgürtel mit 3/4 Liter Wasser und Windjacke zurecht. Diese "Grundausrüstung" wird vom Veranstalter aufgrund der Witterung empfohlen.
Die Zeit bis zum Start vergeht wie im Flug. Ich bin nur etwas skeptisch, ob mein Fuß auch mitmacht. Als persönliches Ziel will ich nur "ankommen", d.h. unter 3 Stunden finishen wäre nicht schlecht.
Nach einer Schweigeminute für die Toten des 2008er Laufes vollzieht sich der Start eher unspektakulär. Etwa 600 Läufer verstopfen jetzt die Straße Richtung Ehrwalder Alm. Ich laufe ziemlich weit vorn neben Helmut Reitmeir her. Er ist zwar "M65", aber durch seine Berglauferfahrung ein ganz Großer. Im Vorjahr war er 2 Minuten vor mir auf der Grubigalm.
Die Straße windet sich den Anstieg hinauf, die Sonne drückt und ich bin froh, wenn der Wald wieder seine Schatten auf die Forststraße wirft. So schwitze ich schon jetzt wie verrückt und lasse den Reitmeir (mit seinem weithin sichtbaren rosa Hemd) ziehen. Die anspruchsvollen Abschnitte ohne Schatten kommen erst noch und ich muß mir meine Kräfte einteilen. Es werden immer mehr Läufer, die mich bis zum ersten Verpflegungspunkt, der Ehrwalder Alm (1.502m), überholen. Das wurmt natürlich, wenn man sieht was für "Kaliber" da schneller sind. Aber ich lasse mich nicht verrückt machen. Es geht verhältnismäßig flach auf Forstwegen durch Almwiesen an staunenden Kühen vorbei zur Hochfelderalm (1.732m). Dort ist wieder eine Verpflegung eingerichtet. Ab da beginnt aus dem "Straßenlauf" ein Berglauf zu werden. Die Strecke wird merklich steiler und enger und man muß die Beine schon ganz schön heben. Viele Läufer verfallen jetzt in den Gehschritt, ich kann allerdings weiter laufen und überhole einen nach dem anderen, auch wenn es auf dem schmalen Weg schwierig ist.
Am Himmel kreist der Helikopter um Aufnahmen vom Wettkampfgeschehen zu machen. Nach 1:17:26h überquere ich das Brandjoch (2.110m), wo ein paar Zuschauer die Läufer anfeuern. Im Auf und Ab quert der Weg zum Gatterl noch das 2.045m hohe Feldernjöchl. Ich hatte mir vorgenommen die deutsch-österreichische Grenze am Gatterl (2.124m) nach 90 Minuten zu erreichen. Nach einem heftigen Anstieg, einer felsigen Gasse mit Seilsicherungen, durchlaufe ich den Eisenzaun nach 1:28:30h.
Jetzt habe ich noch 6,9 Kilometer vor mir und es geht erstmal wieder steil bergab. Obwohl ein Überholen auf diesem Streckenabschnitt schon aus Sicherheitsgründen nicht möglich ist, verschaffen sich einige Läufer durch lautes Schreien und riskanten Laufstil Respekt und ziehen in halsbrecherischer Art und Weise an mir und den vor mir Laufenden vorbei. Deren Luft reicht allerdings nur bis zum nächsten Anstieg, wo sie von unserer Gruppe wieder gnadenlos eingesammelt werden.
Auf dem Plattsteig geht es nun über Geröll zur Knorrhütte, auf halber Strecke überhole ich Helmut Reitmeir, der das Bergablaufen gar nicht mag. An der Hütte (2.051m) nehme ich mir einen Becher mit warmen Wasser um den eigenen Trinkvorrat zu sparen (1:48:58h). Der Weg führt in steilen Kehren hinauf zum Zugspitzplatt. Ab jetzt muß ich auch immer öfterer gehen, ich passe mich dem Tempo der anderen an. Ab und zu überhole ich auch, aber da man dazu den "Weg" verlassenmuß, kostet dies jede Menge Kraft, vorallem wenn ich in einem Schneefeld vorbei will.
Kurz vor dem Erreichen des Sonnalpin zieht Julia Jedlhauser an mir vorbei. Die an der Strecke stehenden Zuschauer rufen ihr zu, das sie Dritte sei und die zweite Frau nicht weit vor ihr ist.
Beim Sonnalpin (2.576m) befindet sich nochmal eine Verpflegungsstation von der ich auch Gebrauch mache. Hier kann man den Lauf auch vorzeitig beenden und hat trotzdem eine Wertung als Aussteiger. Vor mir hat hier nur Steffen Uebel die Segel gestrichen. Nach 2:28:59,8h nehme ich den letzten Abschnitt in Angriff.
Im Zickzack windet sich die Läuferschar durch die steil ansteigende Schuttreiße rechts des Schneefernerhauses zu den Felsen empor. Ab dort erleichtern die Seilsicherungen den mühsamen Aufstieg. Zusätzlich motivieren einen die zahlreichen Bergwanderer. Am Grat ist noch einmal Vorsicht geboten, geht es doch links und rechts mehrere hundert Meter hinab. Aber hier oben bewegt sich keiner mehr im Laufschritt, es ist nur noch ein straffes Bergwandern.
Die letzten (Höhen-)Meter hinauf zum Ziel an der Bergstation der Tiroler Zugspitzbahn haben es noch einmal in sich. In einer Kehre "wartet" Ute mit dem Fotoapparat auf mich. Ich nehme fürs Bild höflich die Mütze vom Kopf und wir reden kurz miteinander. Die Gewissheit im Nacken, das es eine Zielzeit unter 3 Stunden wird, läßt mich die letzten hundert Meter locker angehen. Ehe ich jedoch auf der Zeitmeßmatte stehe, muß ich sogar nochmal die Hände mit zu Hilfe nehmen. Fast senkrecht sind die letzten Meter zum Ziel - ein großartiger Abschluß eines Extremberglaufes.
Auf dem Weg nach dem Ziel, der wieder waagerecht verläuft, empfange ich Medaille und Rückfahrkarte nach Ehrwald. Die Zielverpflegung ist reichlich, ein paar Japaner halten den anblick eines solchen Buffets auf Deutschlands höchstem Berg natürlich per Foto oder Film fest. Auch der ein oder andere Seilbahntourist versucht sich kostenlos nach der kräftezehrenden Gipfelfahrt zu stärken. Aber die Helfer achten schon mit Argusaugen auf dieses Klientel.
Ich warte auf der Plattform auf Ute und habe einen herrlichen Blick auf die letzten Meter der Strecke, in diesem Moment freue ich mich das erste Mal so richtig, das ich jetzt schon hier oben stehe. Das Schienbein hat durchgehalten und mit meiner Laufzeit (2:57:42,5h) bin ich zufrieden. An den ersten Ergebnisaushängen erfahre ich das ich 80. geworden bin, drei Frauen waren vor mir. Sieger wurde Michael Barz in 2:06:39,2h - unvorstellbar!
Starke Nerven benötigt man als Bergfreund wenn man den "Rummelplatz Zugspitze" Richtung Ostgipfel quert. Eine Atmosphäre aus Oktoberfest und Großstadtgewühl vermiest einem da die gute Laune. Am Münchner Haus gibt es "Deutschlands höchste Bratwurst" für stolze 4 Euro, der Grill liegt voll damit und die Leute stehen Schlange. Auf der anderen Seite der Zugspitze versuchen sich viele der Bahntouristen am Erklimmen des Ostgipfels, um sich mit einem Gipfelkreuz-Bild belohnen zu können. Manche müssen auf dem wenige Meter weiten "Weg" pausieren oder gar kapitulieren.
Nach Talfahrt und "Auslaufen" nach Ehrwald sehen wir uns noch die umfangreiche Siegerehrung am Musikpavillion an. Kaum ist diese vorbei ziehen am Himmel dunkle Wolken auf. Am Abend folgt dann ein heftiger Gewitterguß, bei dem durch Murenabgänge Straßen in der näheren Umgebung unpassierbar wurden. Es hätte also auch anders kommen können mit der zehnten Auflage des Zugspitz-Extremberglaufes!
Ergebnisse Männer:
1. Barz, Michael - TSV Durach - 2:06:39,2
2. Wenin, Oswald - Telekom Team Südtirol - 2:18:24,3
3. Schreiner, Franz - Esternberg AUT - 2:21:14,2
4. Ruf, Remo - Walenstadt SUI - 2:21:36,0
5. Knilling, Michael - LC Mittenwald - 2:23:22,3
6. De Simone, Roberto - Gossensass ITA - 2:24:10,6
7. Hafner, Martin - SG Bayerischer Rundfunk - 2:28:51,4
8. Hunger, Thomas - Roßleithen AUT - 2:30:44,7
9. Meyes, Daniel - Hünenberg See SUI - 2:31:33,0
10. Munz, Bernhard - TV Jahn Kempten - 2:31:37,2
77. Delling, Thomas - LV Limbach 2000 - 2:57:42,5
Ergebnisse Frauen:
1. Straub, Kerstin - GER - 2:43:08,4
2. Jedelhauser, Julia - GER - 2:54:57,5
3. Kalchschmid, Gaby - Ebenhofen - 2:57:01,2
4. Kesper, Gerhild - GER - 2:58:54,4
5. Zulauf, Sabine - GER - 2:59:13,9
6. Baumann, Christa - Bischofswiesen - 3:01:58,5
7. Bayer, Rosi - Mittenwald - 3:02:36,5
8. Kellner, Heike - Heppenheim - 3:02:38,5
9. Schiffer, Magdalena - Elbingenalp AUT - 3:03:59,9
10. Hamel, Carina - Portland USA - 3:04:41,2