29.06.2013 - 10:00 Uhr - 24 Stunden auf flachem 1.197,74 m-Kurs (5 Hm+ / 5 Hm-)
Stadion am Wasserturm
Großes Jubiläum im Vogtland - die 25. "Lange Nacht von Reichenbach" steht an! Ute und ich waren zwar bisher erst einmal dabei, wenn es um diese bizarre Form der Wochenendgestaltung ging. Da wir aber dieses eine Mal nutzten, den Kurs um den Wasserturm und durchs Stadion 137- bzw. 151-mal abzulaufen, verfügen wir doch schon über einen gewissen Strecken-Insider-Status. Doch dieses Wissen ist allerdings nur der "geringste" Faktor bei der Unternehmung, die 24 Stunden erfolgreich zu absolvieren ...
Neben dem Wetter, spielt auch der geistige und körperliche Zustand eine entscheidende Rolle, um seine selbst gesteckten Ziele für den "Lauftag" realisieren zu können. Das erstgenannte Kriterium ist bei dieser Veranstaltung allerdings nicht unbedingt bestenlistentauglich! Die anfängliche Kälte (ca. 9°C) werden wohl die meisten Läufer akzeptieren, aber wer ist gern über mehrere Stunden bei Wind und Regen unterwegs? - 0:1! Die geistige Fitness? Da ist alles möglich! Zumal ich voller Erstaunen der "Freien Presse" entnehmen mußte, daß wir Zwei zum Favoritenkreis zählen. Das paßt mir zwar überhaupt nicht, wenn so "Druck" aufgebaut wird, denn dann gerät man schnell in Erklärnot, wenn man die Erwartungen der Presse nicht erfüllen kann! Trotzdem 1:1, weil ich immer positiv denke! Meine körperliche Verfassung ist leider eher etwas für den Arzt, als für großes sportliches Tun. Wetterbedingt holte ich mir Anfang der Woche auf Arbeit die "Hinke". Es folgte ein Abmildern der Geschichte auf Tee- und Honigbasis bis zum Abwinken. Mit Erfolg!? (Erhofftes) Unentschieden - 2:2, und dann doch noch das Golden Goal durch die Streckenkenntnis - es klappt also!!
Zum richtigen Zeitpunkt gemeldet! Zeltstadt Reichenbach.
Das mit Lauf(wechsel)sachen bis unters Dach gefüllte Fahrzeug parken wir am Durchlauf zwischen Stadiontribüne und Wasserturm und ein Notfall-Equipment plazieren wir in der Kabine der Heim-Mannschaft an der Tartanbahn. Jetzt kann nichts mehr schiefgehen und der Startschuß kann fallen!
Pünktlich um 10 setzt sich das Feld der 49 Einzelstarter und 14 Staffeln (bei denen sich vier Läufer in die 24 Stunden teilen) in Bewegung. Das Tempo ist moderat, es bilden sich kleine (Tempo-)Gruppen. Ute und ich laufen zusammen und wir versuchen den jeweiligen Zeitpunkt für die Ernährung und die "Entsorgung" möglichst aufeinander abzustimmen. Es gelingt uns ganz gut. Während Ute mich anfangs noch auffordert, endlich loszulaufen, bin ich nach ca. fünf Stunden froh, daß sie sich wegen mir (und meiner ersten erkältungsbedingten Schwächelphase) ausbremst und weiterhin mit mir zusammen Runde um Runde dreht.
Irgendwann am frühen Abend ist dann für eine dreiviertel Stunde Schluß mit der trauten Zweisamkeit. Das fällt natürlich auf und keine 200 Meter nachdem ich Ute am Sanitärtrakt abgegeben habe, weißt mich sofort Staffelläufer Remo aus Zwickau auf das Fehlen von Ute hin.
Ich überrunde Ute und wir ziehen weiterhin gemeinsam unsere Bahnen. Es hat mittlerweile angefangen zu regnen und es kommt auch noch ungemütlicher Wind dazu. Der große Kleiderwechsel, der anfangs für das "Bergfest" vorgesehen war, wird deshalb vorgezogen. Dazu werden die Regensachen übergeworfen und das Wetter kann uns mal.
Nach der geschafften ersten Hälfte wird es dunkel. Die "lange Nacht", in der so manche Entscheidung fallen wird, beginnt. Aufgrund des schlechten Wetters ist ein größeres "Aussieben" im Teilnehmerfeld zu vermuten. Gesiebt wird allerdings auch in unserer Kleinst-Gruppe. Hat mich doch die Erkältung der Vorwoche nun endgültig im Griff. Ich habe große Probleme selbst Ute's Wandertempo zu halten, beim Laufen habe ich ständig Seitenstechen und komme so kaum noch hinterher. Die Oberschenkel sind wie von Pferdeküssen übersät und mein Gesicht muß furchtbar aussehen. Die sich an den Füßen abzeichnenden Blasen sind das kleinste Problem und daher nur eine Randnotiz - vorerst!
Ute rät mir, dringend eine Pause zu machen. Ich ringe lange mit mir - sehr, sehr lange! Es ist 1 Uhr 20 als ich mich, mit (gefühlten) Tränen in den Augen zum Kampfgericht begebe. Ich melde mich (vorerst) vom Wettkampf ab und begebe mich ins Fahrzeug, in dem an allen Ecken und Kanten gewechselte Laufsachen zum Trocknen hängen. Gemütlich hier! Der Fahrersitz wird nach hinten gekippt und ich setze mich mit der Gewissheit hinein, hier nie wieder (ohne fremde Hilfe) 'rauszukommen! Einmal eingerostet, vielleicht noch mit dem ein oder anderen Krampf garniert, ist an eine Fortsetzung des Wettkampfes nicht mehr zu denken.
Einschlafen ist so gut wie aussichtslos. Die negativen Gedanken, die Kälte, die Nässe und die drückenden Fußsohlen in den Schuhen (welche ich gar nicht ausziehen konnte)! Warum bin ich nicht in der Lage, in dieser Situation wenigstens zu wandern? Warum muß ich jetzt (erstmalig) einen Wettkampf abbrechen? Der "Mitfavorit" (des Presseartikels) begibt sich also nach 121 Kilometern von der Piste ins warme Heiebettchen! Toll, hat er sich ja auch verdient! Ich hasse mich! Andererseits, wie lange wäre ich denn noch ohne umzukippen durch die Anlage gekommen? Tja, auch bei der Jubiläumsausgabe gibt es kein persönliches Wunschkonzert. Wer schwächelt hat hier eben nichts zu suchen!
Eingeduselt bin ich dann trotzdem. Wach werde ich durch verstärkten Harndrang. Ich steige also aus dem Auto ... Was ist das denn jetzt - keinerlei Probleme, ohne fremde Hilfe, ohne übermäßiges Abstützen! Was will ich denn da noch im Wagen? Nach zweieinhalb Stunden Pause melde ich mich kurz vor 4 Uhr wieder an. Ich fühle mich jedoch nicht so recht wohl dabei. Als es weh tat, habe ich gekniffen und jetzt kann ich es (frisch erholt) den "Nachtaktiven" zeigen! Das ist unfair! Für mich sind es jetzt ja nur 21,5 Stunden Gesamt, das ist wie den Marathon abkürzen und nur 39 Kilometer laufen!
Ute hat mittlerweile 14 Runden Vorsprung auf mich herausgelaufen, zwei davon werde ich im restlichen Verlauf noch tilgen können. Sonst laufen wir wieder zusammen und wollen auch den Schluß gemeinsam erleben. Es sind noch 6 Stunden in denen von mir wieder fleißig (Endergebnisse) errechnet werden, basierend auf den Rundendurchgangszeiten mit der Option "Wandern" oder "Laufen". Beide Resultate lassen mittlerweile Ute's vorjähriges Ergebnis von 164 Kilometern verblassen, es wird deutlich höher ausfallen.
Bei meinem Ergebnis ist nichts mehr zu retten, da war die Pause einfach zu lang. Also kann ich ganz unbeschwert weiterlaufen. Das kann Jens Walther allerdings nicht, von Anfang an hatte er die Führung übernommen und nun, während seine Konkurrenz stark auftrumpft, bricht er ein. Das hat er nicht verdient! Wir versuchen ihn so gut es geht zu motivieren, aber er muß nach großem Kampf eine dreiviertel Stunde vor Schluß seine Führung abgeben. Er sieht es aber sportlich und das macht ihn so sympathisch.
Die letzten 35 Minuten nutze ich zum "schnelleren" Laufen, da ich dadurch noch einen Platz nach oben rutschen kann. Es gelingt mir ganz gut, die Rundenzeiten liegen bei 7 Minuten und jetzt macht es sogar wieder etwas Spaß! Nach 23:59:40 Stunden passiere ich zum letzten Male die Stadionuhr, kurz darauf folgt der Countdown: 10 - 9 - 8 - 7 ... ich werde immer schneller ... 3 - 2 - 1 - Schluß! Das Holzplättchen mit der "111" auf der Tartanbahn ablegen und weil ich einmal "unten" bin, lege ich mich gleich noch mit dazu. Endlich hat der Spuk ein Ende! Aber was bin ich nur so außer Atem? Bin ich jetzt eine neue 200-Meter-Bestzeit gelaufen? Diese Träumerei unterbricht indes ein Sanitäter, der mich nach meinem Befinden befragt.
Schade, daß ich wegen meines Egotrips Ute's "Zieleinlauf" nicht miterlebe. Sie wird auf dem Weg ins Stadion, hinter dem Sozialgebäude, vom Knall gestoppt. Kurz darauf rennt sie über die Tartanbahn zu unserer Auswechselbank. Ich rufe, aber meine Stimme ist nun gar nicht mehr da. Ich versuche zu laufen, aber die Blasen an den Füßen lassen es nicht zu. Deshalb schleiche ich zur Verpflegung und erhalte noch eine Flasche Bier - natürlich nur für die Zurückgewinnung meiner Stimme! Und nur deshalb kann ich mich dann auch mit Ute unterhalten, als wir uns am Startbogen glücklich in die Arme fallen.
Ute nutzte die vorgegebenen 24 Stunden ausgiebig und wird mit Gesamtrang 4 belohnt - nur drei Männer haben mehr Meter gemacht als sie! Der Sieg in der Frauenwertung ist bei einem Vorsprung von 33 Kilometern auf Platz 2 auch nie in Gefahr gewesen - Hut ab!
Jetzt bleibt nur noch, mit der Öffnung meines linken Schuh's die letzte große Unbekannte dieser Veranstaltung zu lösen. Wie sieht es denn heute in der Basis aus? Etwas ungewohnt blicke ich schon: eine Blase "vergrößert" den gesamten großen Zeh und schließt auch gleich noch den "Nachbarn" mit ein und eine Blase an der Sohle wirft aufgrund ihrer Ausdehnung sogar schon Falten. Kein Wunder, daß ich die "Schlüsselstelle" des Parcours (den Abzweig vom Wasserturm-Durchgang auf die Ringstraße) immer im rechten Winkel angehen mußte, da die Fliehkraft (auch bei geringem Tempo) den Fußsohlen dort maximal zusetzte. Selbst die Heimfahrt muß deshalb auch Ute noch übernehmen, da ich durch den Druck der Blase keine Kupplung treten kann.
Ute hat ihr Lächeln die gesamte Zeit über behalten! Siegerehrung der Altersklasse M40.
Trotz allem seelischen und körperlichen Schmerz war es wieder ein Fünf-Sterne-Wochenende in Reichenbach. Der Dank gilt allen Helfern, den Organisatoren, den Zuschauern, der "Antenne Vogtland" Reiner Zimmermann, dem DRK, dem THW und und und.
Ergebnis Männer: 42 Teilnehmer
1. Ganter, Martin (DUV) - 1. M50 - 189,842
2. Walther, Jens (LAV Reichenbach) - 1. M40 - 187,432
3. Thieme, Günter (TSG Glauchau) - 1. M45 - 183,094
4. König, Thomas (LC Oelsnitz/Erzgeb.) - 2. M45 - 177,582
5. Dr. Mahl, Ralph (Elstertaler Waldläufer) - 2. M50 - 172,663
6. Delling, Thomas (LV Limbach 2000) - 2. M40 - 165,441
7. Leffler, Mirko (Ultrarunner-Team.de) - 3. M40 - 164,021
8. Zimmermann, Walter (LG Würzburg) - 1. M55 - 150,182
9. Fiebig, Olaf (Albernau) - 3. M45 - 149,858
10. Dr. Steinbrecher, Diethard (100 Marathon Club) - 1. M60 - 149,530
Ergebnis Frauen: 7 Teilnehmerinnen
1. Herfurt, Ute (LV Limbach 2000) - 1. W45 - 179,372
2. Kosche, Katrin (LG Vogtland) - 2. W45 - 146,370
3. Horn, Gisela (Rot-Weiß Werdau) - 1. W65 - 139,359
4. Dr. Ntefidou (Erlangen) - 1. W40 - 115,170
5. Bräuer, Ria (Zwönitzer HSV) - 2. W40 - 100,797
6. Kunze, Christel (LG DUV) - 1. W75 - 92,413 (Deutscher AK-Rekord!)
7. Neumann, Petra (ESV Lok Zwickau) - 3. W40 - 80,431
Veranstalterseite: www.24-stundenlauf.de