22.08.2014 - 10:40 Uhr - 3,08 km / 1.024 Hm+ / 10 Hm- (Trainingslauf)
Das "virtuelle" Ziel vor spektakulärer Kulisse auf 2.484 Metern Seehöhe.
Auch im Urlaub sollte man das Tempotraining zwischen all den angenehmen Seiten des Nichtstuns keineswegs vernachlässigen, mal ein eingeschobener 1.000-Meter-Lauf schadet der Erholungsphase bestimmt nicht und die eigene Grundschnelligkeit wird durch das ferienbedingte Faulsein nicht ins Bodenlose absinken. Das französische "Trail Endurance Mag" hat in seiner August/September-Ausgabe auch gleich noch die passende Strecke dafür parat - dem "schnellen" Tausender steht also nichts mehr im Wege.
Am Mittwoch, dem 20. August, fand fast vor der Haustür unserer Ferienunterkunft, im 60 Kilometer entfernten Manigod, ein vertikaler Kilometer in Wettkampfform statt, als 4. Lauf der "Scott KV Challenge". Start war 20:30 Uhr (mit Stirnlampe) - für uns jedoch kein Thema, da das Teilnehmerfeld limitiert war und man ein ärztliches Zeugnis vorweisen mußte. Außerdem waren wir voll in unsere PTL-Vorbereitung vertieft, nahmen daher einige Streckenabschnitte schon mal unter die Lupe und da war der Tag auch schon voll ausgelastet.
Zum Glück hatte ich beim Kauf einer französischen Trail-Zeitung (die es hier in großer Auswahl gibt) das richtige Händchen. Da wurde das neu erschienene Buch "Altitrail Mont-Blanc" vorgestellt, in dem 20 verschiedene (längere) Laufvarianten und 7 "KM Vertical" rund um den weißen Berg erläutert werden. Dieses detailierte "Nachschlagewerk" in Sachen Geländelauf hatte ich im Buchladen auch schon in der Hand, es erschien mir aber für 24,50 Euro für unseren Kurzbesuch im Mont-Blanc-Gebiet zu unverhältnismäßig. Der im "Trail Endurance Mag" vorgestellte Trail aus o.g. Buch beschäftigt sich mit einer Route von Le Tour zum Croix de Fer und zur Refuge Albert 1er. Dabei werden 16 Kilometer mit je 1.530 Höhenmetern bergau/bergab mit 5 bis 7 Stunden Laufzeit prognostiziert - ein Tagesausflug also! Aber auch der Tausender von Le Tour (1.470 m) nach La Picheu (2.484 m) findet Erwähnung und unsere (oder besser gesagt: meine) Aufmerksamkeit.
Also finden wir zwei uns vormittags am "Start" bei der Seilbahn, oberhalb des Ortes, ein. Da Ute schon am Vortag die Laufschuhe im profilierten Gelände glühen lassen hat und ich mich mit Wellnesstouren fit hielt, ist die Ambition bei Ute etwas minimiert. Ich brauch' jedoch mal eine "Hausnummer" in Sachen 1.000-Meter-Zeit. Mit rund 4 Kilogramm Gepäck auf dem Rücken und dem Modus "Trainingslauf" wird höchstwahrscheinlich für eine eventuelle Wiederholung noch genügend Luft nach oben sein. Es soll jedoch ambitioniert zu Werke gegangen werden.
Die "Inspiration" zum "KM Vertical". Ein Wiesenabschnitt eröffnet den Tausender.
Den Anfang macht ein rund 400 Meter langer Abschnitt über die Wiesen von Les Granges - gaaanz leicht steigend und mit einem Schnitt von zaghaften 6:44 min/km erlange ich eine heute nie (auch nur ansatzweise) wieder erreichte Spitzengeschwindigkeit. Insgesamt nur sechs Bergwanderer nehmen diese direkte Route zur Berghütte Albert 1er in Angriff. Diese passiere ich am Fuß des "richtigen" Anstiegs etwas verhalten, um nicht die volle Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Danach verschwinde ich jedoch recht schnell aus deren Sichtbereich und ich kann (fast) ans persönliche Limit gehen. Viele Kehren, die immer steiler werden, gespickt von technisch anspruchsvollen Abschnitten - der Kopf hämmert, die Oberschenkel schmerzen und die Stöcke müssen zur Höchstform auflaufen.
Zu allem Überfluß sehe ich von weiter unten einen Läufer in Salomon-Tracht den Hang heraufstürmen. Nicht mehr lang' und er hat mich auch, denn an Ute ist er schon vorbei. Stellenweise geht es jetzt sogar bergab, das gefällt mir überhaupt nicht, da somit schwer erkämpfte Höhenmeter auf kaum laufbaren Gelände wieder sinnlos "verbraten" werden. Es nützt alles nichts, der Salomon-Mann kommt immer näher! Lass' es jetzt wenigstens Kilian Journet sein! Annett und Mirko haben ihn vor ein paar Tagen zweimal am Mont Blanc getroffen, beim Trainieren mit Emelie Forsberg. Mit 3:33 Stunden hält er auch den Rekord für den Aufstieg von Chamonix auf das "Dach der Alpen" und unzählige weitere Bestleistungen sind Bestandteil seiner Vita. Das würde die Situation natürlich wesentlich angenehmer machen. Er ist es aber nicht!
Oben thront mächtig der Glacier du Tour. Der "Einheimische" ist etwas schneller!!
Ich versuche mich an seine Fersen zu heften, aber der Abstand wird peu a peu größer. Damit kann ich aber leben, denn hier ist das so eine Art Volkssport, da brauch' man keine Komplexe bekommen, wenn man mal von einem "Einheimischen" am Berg abgekocht wird. Im oberen Teil der Moräne des Glacier du Tour überhole ich noch einen Wanderer. Er scheint mehr kaputt zu sein, wie ich, da er auf mein (hier obligatorisches) "Bon jour" nicht reagiert.
Rund drei Minuten ist der lokale Läufer vor mir am Wegweiser "La Picheu". Dort trifft der steile Pfad auf den gut frequentierten Wanderweg zur Refuge Albert 1er (2.702 m). Er läuft mit einer (von mir geschätzten) Zwischenzeit von rund 50 Minuten am "virtuellen Ziel" vorbei, weiter zur Hütte. Ich bin froh nach 1:05:41 Stunden am Pfeiler meine Aufzeichnungen beenden zu können. Mein (horizontaler) Kilometerschnitt beträgt beachtliche 21:18 Minuten, aber ich bin froh, das vom Schweiß durchnäßte T-Shirt gegen trockenen Zwirn tauschen zu können. Der mitgeführte anderthalbe Liter Wasser ist auch binnen kürzester Zeit fast aufgebraucht. Nun heißt es: Warten auf Ute. Nach 1:17:56 Stunden hat auch sie eine 1.000-Meter-"Best"zeit.
Ute beim Endspurt, unten im Tal liegt Le Tour. Rechts der Gletscher und von oben die Sonne.
Als Abschluß gönnen wir uns noch über eine Stunde in der Mittagssonne oberhalb der Berghütte, die sich seit unserer Bergtour 2011 stark verändert hat. Als Rückweg wählen wir den moderaten Weg über Charamillon (1.850 m) hinab nach Le Tour. Am Abend treffen wir uns noch mit den Mont-Blanc-Bezwingern Annett und Mirko aus Neustrelitz zu einem geselligen Ausklang des Tages bei Pizza und Rotwein in Chamonix.