03.07.2010 - 5:00 Uhr - 110,54 km / 6.904 Hm+ / 6.904 Hm-
Nach einer unruhigen Nacht bin ich froh als der “Wecker” 3 Uhr 33 klingelt. Ein Blick aus dem Fenster auf das beleuchtete Zentrum von Verbier verrät, das es sich abgeregnet hat. Ab 4 Uhr gibt es im Hotel Frühstück, dort treffen wir auf ca. 20 andere Teilnehmer des Trails, u.a. auch Denise Zimmermann, die Vorjahressiegerin. Wir essen reichlich, die Zeit bis zum Start wird dadurch immer knapper, erst fünf Minuten vor Beginn des Wettkampfes geben wir unsere “Rennsäcke” ab, dann lassen wir uns noch mal gemeinsam fotografieren bevor es in den Startgarten geht. Alle Läufer werden beim Betreten des abgesperrten Areals an den Startnummern abgescannt.
Jens schiebt sich, wie von jedem x-beliebigen Volkslauf gewohnt, Meter um Meter im Startblock nach vorn, Ute und ich bleiben in der letzten Reihe stehen. Der Starter zählt französisch die letzten Sekunden herunter, dazu erklingt die Filmmusik von “Der Letzte Mohikaner”, der Tross setzt sich langsam in Bewegung. An den Straßenrändern von Verbier stehen, für diese Uhrzeit eher ungewöhnlich, recht viele Zuschauer. Ein Thermometer deutet mit seinen 16°C um 5 Uhr an, das ich mich in meiner Kleiderwahl (kurz) nicht ganz vertan habe.
Am ersten Anstieg am Ortsausgang von Verbier verfällt das Feld vom Lauf- in den Gehschritt, ich habe keine andere Wahl und mache mit, denn es geht enge Wege hinauf zum Pierre Avoi. Das ist ein 6,96km langer Abschnitt mit 950 Höhenmetern, stellenweise auch mit Flachpassagen, wie z.B. einem herrlichen Weg neben einem wasserführenden Röhrgraben (wie in Ehrenfriedersdorf). Ab und zu sieht man im Halbdunkel die Blitze der Fotoapparate in der Läuferschlange, welche sich mühsam den Berg hinauf windet. Auch ich mache das eine oder andere Bild vom “Aufstieg”, ebenso Jens, den ich während er fotografiert, überhole. Aber keine Angst, Jens! Ich wollte mich nicht an Dir vorbeischleichen, ich hatte dich erst zu spät mitgekriegt und deshalb nichts gesagt. Außerdem ist der Rest der Strecke noch zu lang um schon zu attackieren.
Nach einem wunderbaren Gratweg mit herrlicher Aussicht nach beiden Seiten erreicht das Feld den Pass Croix de Coeur, wo sich die erste Verpflegungsstelle befindet. Auch hier wird jeder Teilnehmer mittels Scanner erfasst. Jens erreicht den Posten als ich im Begriff bin weiterzumachen. Wir wechseln noch ein paar Worte, er erzählt mir von seinem Sturz und ich erinnere ihn an den nötigen Kniehub beim Laufen im Gelände.
Nur wenige Kilometer weiter bergab wartet schon die nächste Herausforderung, ein Gefällestück, wie man es bei Laufveranstaltungen nur selten präsentiert bekommt. Zwischen Bäumen geht es fast senkrecht auf aufgeweichtem Boden hinab. Die mitgeführten Stöcke sind hier für ein unfallfreies Weiterkommen mehr als nötig. Ich muß an Ute und Jens denken, wie werden sie diese Stelle wohl meistern? Zumal ich von Jens wusste, das er auf leichterer Strecke schon gestrauchelt ist.
Auf dem weiteren Weg in die Rhone-Ebene wurde auch der erste “Bach” gequert, welcher den Schlamm der vorangegangenen Gewitternacht talwärts schaffte.
In Le Levron erfrische ich mich an einem der ortsüblichen Wassertröge, um keine 100 Meter später die nächste Verpflegung in Anspruch zu nehmen. Der erste Halbmarathon ist geschafft, nur das ich statt 2:50:16h schon bessere Zeiten auf dieser Distanz gelaufen bin.
Im Val de Bagnes nach Sembrancher gibt es dann die Passagen, mit denen beim Trailrunning geworben wird: im lockeren Laufschritt geht’s über Wiesen, durch Wälder; einen Steinbruch. Aber auch eine Bahnstrecke wird in einer eher unübersichtlichen Stelle überquert, keine 10 Sekunden nach mir fährt hupend ein Zug an mir vorbei.
Sembrancher, den Ort der nächsten Verpflegungsstelle erkenne ich von unserer Hinfahrt nach Verbier wieder. Hier geht die Fernstraße von Martinach (Martigny) zum Großen Sankt Bernhard (Gd. St. Bernard) ab. Wir Läufer nehmen aber den Weg durch das malerische (Alt-) Städtchen mit seinen engen Gassen um an dessen Ende über Wiesen wieder im Wald zu verschwinden. Lang ansteigend und oft ziemlich steil durch mehrere kleine Dörfer zieht sich der Weg nach Champex.
Dort wartet man in der Nähe des Militärforts mit der nächsten Verpflegung auf uns Läufer. Man wird wie immer umfangreich versorgt, ich beschränke mich wie fast den gesamten Wettkampf über auf 3-4 Becher Cola, etwas Wasser und ein paar Orangenstücke.
Im Val Ferret führt die Strecke vorbei an vielen Schnitzereien auf Baumstümpfen hinauf nach La Fouly, erst sind es Figuren, danach sind alle möglichen Pilzarten in Holz verewigt. Dieser Abschnitt ist auch Teil des UTMB (Ultra-Trail du Mont-Blanc), nur wird er in entgegengesetzter Richtung gelaufen. Es geht auf Mittag zu und die Hitze setzt mir schon ganz schön zu, so das ich froh bin wenn es zur Abwechslung mal wieder ein Stück durch den Wald geht. Hinter jeder Wegbiegung erwarte ich La Fouly.
Dort startet 12 Uhr die Traversee (60,93km, 3.965Hm+, 4.080Hm-), welche nach 5,1km bei Les Ars dessus auf unsere Strecke mündet, um von dort den gleichen Weg zum Ziel nach Verbier zu nehmen.
Als ich in die Dorfstraße von La Fouly einbiege, warten schon ca. 600 Läufer auf den eine ¼ Stunde später beginnenden Lauf. Für die 110er ist eine enge Gasse neben dem Startblock gelassen worden, sie führt hinauf zur Terrasse des Restaurants “Glacier”, dort befindet sich die nächste Verpflegung, ebenso besteht die Möglichkeit seine vor dem Start abgegebenen Sachen zu wechseln. Frenetisch feuern die Wartenden die Ankommenden an, vielleicht sind sie auch nur so aufgedreht weil zeitgleich mit mir eine Frau die Enge des Ortes durchläuft.
Gleich nach dem Verpflegungsposten biegt unsere Strecke über einen kurzen steilen Hang auf einen Weg mit etlichen Kehren, die Läufer der Traversee werden die im Tal befindliche Straße weiterlaufen. Der Hubschrauber kreist schon über La Fouly, ich will das Spektakel des Starts von oben fotografieren aber die Speicherkarte des Apparates ist voll. Klasse denke ich, im Hotel hab ich für so einen Fall noch ein 2GB-Ding liegen.
Einsam in größeren Abständen laufen wir einen Weg quer zum Berg bis wir in Ars Dessus in das Ende des 61km-Feldes laufen. Das Wetter hat bereits umgeschlagen, der Sonnenschein und die hochsommerlichen Temperaturen sind einem heftigen Regen und einem Gewitter gewichen. Steil und steinig windet sich der Weg zu den Bergseen Lacs de Fenetre, ein Überholen ist nur noch bedingt möglich und man muß sich dem “Trott” der “Kurzstreckler” anpassen. Das letzte Stück zum Col de Fenetre quert man riesige Schneefelder, da es nur im Bummeltempo voran geht gönne ich mir einen Eiweißriegel aus dem Rucksack, denn trotz des langsamen Vorankommens spüre ich, das meine Kraft langsam nachlässt.
Nach 9:02h erreiche ich den zweithöchsten Punkt der Strecke, den Col de Fenetre (2.698m), hier betrete ich erstmalig in meinem Leben italienisches Staatsgebiet. Den Abstieg zur Straße des Großen Sankt Bernhard nutze ich zu teilweise riskanten Überholmanövern, irgendwann ist es zu viel des Guten und das nasse Gras zieht mir die Füße unterm Arsch weg. Ich lande unsanft auf dem linken Oberschenkel, spüre aber (noch) keinen Schmerz, da ist das rechte Schienbein schon eher problematisch. Dessen Schmerz verstärkt sich im weiteren Verlauf des Wettkampfs so sehr, das ich manch größeren Streckenabschnitt nur noch gehend absolvieren kann. Kurze Abhilfe schafft hier nur die Kühlung des Schienbeins bei Flußquerungen oder beim Waten durch tieferen Schnee.
Nach Erreichen der Straße ist es bis zur nächsten Labestelle nicht mehr weit. Zahlreiche Zuschauer erwarten am St. Bernard die Läufer, durch das große Feld der Traversee wird es am Getränkestand ganz schön eng. Ich halte mich nicht zu lange auf und mache mich auf den Weg zum Col de Chevaux (2.714m, so hoch wie der Watzmann). Es ist dasselbe “Theater” wie am Col de Fenetre, Heerscharen von Teilnehmern des 61km-Wettkampfes “blockieren“ die schmalen steilen Bergpfade.
Letztendlich füge ich mich und gehe ihr Tempo mit. Nach Erreichen des Passes geht es steil hinab ins Combe de Drone. Anfangs führt der Weg noch über Geröll, doch schon das erste kleinere Schneefeld gibt einen Vorgeschmack auf das was kurz darauf in größerer Form auf die Läufer wartet. Wie einst Franz Klammer stoße ich mich mit den Stöcken vom Felsgeröll ab und springe auf den Schnee, nun heißt es Balance halten, denn durch das starke Gefälle kommt man ganz schön schnell in Fahrt. Stellenweise sind bis zu 30cm tiefe “Loipen” von den Vorangegangenen gezogen worden. Ich versuche meine eigene Spur zu ziehen, denn überall ragen Steine aus dem Schnee und in den tiefen Rinnen sieht man sie erst viel zu spät.
Auf dem Schnee geht es zu wie auf einem Rodelhang. Einige Meter unterhalb sitzt eine Frau im Schneefeld und signalisiert mir, dass sie einen ihrer Stöcke weiter oben im Schnee verloren hat. Während meiner “Abfahrt” bücke ich mich und werfe ihr den Stock aus der Bewegung heraus im zweiten Anlauf zu. Zuerst bleibt der Stock an einer Markierungsstange oberhalb von ihr liegen, beim zweiten Male ziele ich besser und das Teil kommt in ihrer Nähe an. Dafür habe ich das Gleichgewicht verloren und falle auf meinen schon ledierten Hintern und kollidiere mit der Frau. Da sich keiner von uns dabei etwas getan hat wird dieser Vorfall mit einem Lächeln abgehakt. Am unteren Ende des Skihanges angekommen habe ich Freudentränen in den Augen. So etwas Geniales wie diese Abfahrt bei einem Laufwettbewerb - man lernt eben immer noch dazu .
Über eine größere Gebirgswiese laufend erreicht man wieder einen der vielen Flüsse. Während manche vor dem Wasser stehen und rätseln wie sie trockenen Fußes das andere Ufer erreichen können bin ich auch schon an ihnen vorbei. Die Schuhe sind sowieso nass und das Schienbein “freut” sich auf eine Kühlung.
Ständig gemächlich bergab führt der Weg nach Bourg St-Pierre, am Schneefeld konnte ich mehrere Läufer hinter mir lassen. So lässt es sich doch jetzt wesentlich besser laufen, da die Wege nicht mehr so verstopft sind. Öfter kreuzt die Strecke den Gebirgsbach, dabei lasse ich immer wieder mal das rechte Bein etwas länger im Wasser zur Kühlung stehen, außerdem trinke ich viel und zieh mein Basecap durch das kalte Nass. Das Wetter ist wieder etwas sommerlicher geworden, zwar ist es nicht so warm wie am Vormittag, aber zum Schwitzen reicht es allemal. Ich merke wie die Kräfte langsam schwinden. Am Lac des Tolles - einem Stausee so nach etwa 70km zurückgelegter Strecke, nehme ich mir ein Gel aus dem Rucksack und spüle es mit Grapefruchtsaft hinunter, denn bis zur nächsten Verpflegungsstelle ist es noch ein Stück.
In Bourg St. Pierre wartet das “Repas chaud” - die warme Mahlzeit. Am Eingang zur örtlichen Turnhalle weist der Türsteher alle nichtzugangsberechtigten Personen ab, ein Zweiter registriert die Läufer wie gehabt mittels Scanner. In der Halle gibt es dann das übliche Angebot und dazu noch Spaghettis, wovon ich mir auch einen Teller geben lasse. Nach einem Rundkurs durchs Treppenhaus der Turnhalle verlässt man diese wieder am oberen Ausgang, dort wird ein zweites Mal die Startnummer abgescannt.
Beim folgenden Anstieg zum Col de Mille beschäftige ich mich erstmals ernsthaft mit dem auf der Startnummer aufgedruckten Streckenprofil. Man muss die Startnummer nur nach oben klappen und schon hat man das Profil und einige Kilometerangaben vor sich. Genial ausgedacht, nur für mich nicht sehr ermutigend bei noch verbleibenden 34 Kilometern. Wenigstens geht es erstmal bergauf, das schmerzt nicht so in den Beinen wie das Bergablaufen. Außerdem mache ich mir Gedanken um das Fußball-WM-Viertelfinale Argentinien gegen Deutschland, welches in diesen Minuten des Aufstieges zu Ende geht. Vielleicht gibt es ja auch Verlängerung oder gar Elfmeterschießen wie vor vier Jahren?
In der Zwischenzeit hat es wieder angefangen mit regnen, nur nicht so stark wie am Col de Fenetre, daher verzichte ich auf meine “Regenjacke” und der Rucksack ist ja immer noch mit dem Regenschutz abgedeckt. Daher passiere ich mehrere Läufer, welche sich erstmal wieder einkleiden. Kurz vor Erreichen der Cabane du Col de Mille muss ich dann doch mal an die Seite. Die Steine in den Schuhen drücken unerträglich an den aufgeweichten Füßen. Obwohl ich die Schuhe ausgeschüttet und die Socken abgeputzt habe, wird es nicht besser.
An der Cbne Mille wiederhole ich das Ganze noch mal und mache auch die Sockeninnenseiten sauber. Es hilft alles nichts, die Fußsohlen brennen bei jedem Schritt.
Jetzt noch einen Halbmarathon, sage ich mir, als ich die Hütte wieder talwärts verlasse. Es ist kurz nach 19.30 Uhr und ich habe über vier Stunden Zeit für 22,5km, um noch Sonnabends anzukommen. Wenn ich 21.00 Uhr in Lourtier bin, denke ich mir, dann schaffe ich es auch. Aber Hochrechnungen wie diese braucht man bei so einer Veranstaltung nicht machen, schon gar nicht wenn bergab so gut wie nichts mehr geht. So quäle ich mich die Serpentinen hinab. Zwei “Sportfreunde” der Treversee kürzen unten im Tal die Streckenführung ab, wo es nur geht. Ich bin zwar schneller als sie, aber man trifft sich ständig wieder, weil sie diese Unsportlichkeit begehen. Bei solchen Streckenlängen muss man doch nun wirklich nicht wegen 400 oder 500 Metern sich und die anderen betrügen.
Der Empfang in Lourtier ist herzlich, ich laufe zusammen mit einem Schweizer in die Menschenmassen am Verpflegungspunkt ein. Etwas hastig schütte ich mir vier Becher Cola, zwei Becher Rivella und etwas Wasser in den Hals, dazu kaue ich noch drei Apfelsinenstücke aus. Eile ist geboten, denn es ist 21.18 Uhr als ich Lourtier verlasse. Langsam wird es dunkel.
Jetzt folgt das absolute Sahnestück der Strecke bei km 98,85: 1.146 Höhenmeter auf den nächsten 4,88km! Mit Doppelstockschub und schnellem Wanderschritt geht es einen endlos scheinenden Zick-Zack-Weg hinauf nach La Chaux. Unterwegs setze ich mir die Stirnlampe auf und bald verwandelt sich der Weg in der Dunkelheit in eine endlose Lichterkette. Während des Aufstiegs passiert mich nur ein Läufer, sonst bin ich am Überholen. Es ist 23.05 Uhr als ich am letzten Verpflegungszelt in La Chaux ankomme. Die Temperaturen haben ganz schön angezogen und ich fange in meinen kurzen Sachen an zu frieren. Doch ich will mir nichts überziehen und hoffe auf Besserung durch das Laufen. Euphorisch war ich in La Chaux zur letzten Etappe gestartet, bald aber merke ich, dass ich bergab langsamer als bergauf bin. Die Schmerzen am Schienbein und an den Fußsohlen werden immer stärker. Ich versuche jeden Schritt so gut wie möglich über die Stöcke zu entlasten. Ständig gehe ich zur Seite um “Schnelleren” Platz zu machen, ich schaue auch immerfort auf die Uhr, aber der Weg entfernt sich sogar noch mehr von Verbier. Es geht schon straff auf Mitternacht zu, als ein Wegweiser -Verbier 1h 20min - mir die letzte Hoffnung raubt. Jetzt heißt es für mich nur noch heil ankommen und mir nicht noch im stockdunklen Wald eine Verletzung zuzuziehen. Langsam kommen auch die Lichter von Verbier zum Vorschein, und ich kann den Sprecher hören. Hinter mir kommt schon wieder ein Lichtkegel näher. `Du nicht auch noch!`, denke ich mir und beginne mit Erreichen der Teerstraße am oberen Ende von Verbier wieder in den Laufschritt zu verfallen, die Schmerzen sind mir egal.
Einige Discobesucher klatschen Beifall, auch ein paar Kinder stehen noch an der Strecke. Vor lauter Aufregung verpasse ich auch fast noch die Zielgasse, welche vor unserem Hotel beginnt. Ein Helfer leitet mich im letzten Moment noch in den abgezäunten Bereich. Für das Zielfoto nehme ich die Stirnlampe vom Kopf.
Es ist Sonntag 0.39 Uhr und ich bin im Ziel. Noch ein Foto als Finisher und ab ins Zelt. Die Zielverpflegung besteht leider nur aus Cola, Rivella oder Wasser, dazu noch drei verschiedene Müsliriegel. Man soll sich bestimmt von den 10 Franken “ernähren”, welche man als Pfand für die Startnummer wiederbekommen hatte.
Mit einem Schweizer (Startnummer 111) gehe ich die 200 Meter zur Post, wo die Rennsäcke von La Fouly eingelagert sind. Ich lasse mir meine Sachen geben, Utes Beutel mit der 164 liegt noch da, also ist sie noch unterwegs. Der Beutel von Jens mit der 222 ist hingegen nicht mehr da und wurde schon abgeholt, wie ich auf Nachfrage erfahre. Jetzt weiß ich das Jens aufgegeben hat, nur warum? Ich denke auch an Ute, an die schwierigen Stellen die für sie noch zu passieren sind. Sie muss diese ja im Dunklen bewältigen, so z. B. die Flußquerungen, wo ich bis zu den Knien im Wasser stand.
Allerdings habe ich auch mit mir zu tun, ich benötige schon einige Zeit, ehe ich auf einem Stuhl Platz genommen habe. Beim Ausziehen der Schuhe und Socken war ich auch schon schneller gewesen. Die Füße sind weiß und die Fußsohlen sehen aus wie Wellfleisch, mehrere große Blasen zeichnen sich ab. Nebenbei esse ich von meinem mitgeführten Proviant, es geht sowieso alles nur im Zeitlupentempo. Zwei weiteren Leidensgenossen ergeht es aber auch nicht anders.
Nachdem ich mir die Wechselschuhe angezogen habe mache ich mich auf den ca. 300m langen Weg zum Hotel. Ich kann vor lauter Blasen an den Fußsohlen kaum auftreten, dementsprechend lange dauert es, bis ich im Hotelzimmer bin. Natürlich benutze ich den Fahrstuhl, um in den dritten Stock zu gelangen. Jens liegt im Nachbarraum, auch wenn es mich interessiert, warum er nicht gefinisht hat, lasse ich ihn schlafen. Ich hieve mich in die Dusche und bemerke neben den Schmerzen an Füßen und Schienbein, dass ich mir durch den Rucksack den Rücken aufgerieben habe. Schlimmer ist aber die Wunde am Hintern, wo gleich ein größeres Stück Haut fehlt.
Das Bier, welches ich mir für nach den Wettkampf in den Kühlschrank gestellt hatte, lasse ich unbeachtet stehen, ich habe einfach keine Lust zu gar nichts. Auch das Vorhaben, nach dem Duschen wieder hinunter in den Zielbereich zu gehen, scheitert an der Müdigkeit und Lustlosigkeit. Irgendwie schlafe ich halb angezogen auf dem Bett ein und erwache erst als es mich friert. Ich ziehe mir die Decke über den Kopf und schlafe bis ca. 5.00 Uhr weiter.
Das aufgeriebene Hinterteil klebt an der Unterhose fest, ich habe Probleme beim Wechseln der Hose und ich ziehe mir kurzerhand wieder die Wettkampfhose an. Sie ist zwar schmutzig, aber dafür bequem zu tragen.
Die Straßen von Verbier sind fast menschenleer, nur eine Frau steht am Zieleinlauf vor dem Hotel. Ihr Mann auf den sie wartet kommt ca. 6.00 Uhr ins Ziel. Ich sitze auf einem großen Stein und feuere die im Viertelstundentakt ankommenden Läufer an, nebenbei schaue ich mir immer wieder das Video von der TVSB-Premiere an, welches im Schaufenster der Touristeninformation über einen Großbildschirm gezeigt wird.
Es ist kurz vor 7.00 Uhr, da taucht am oberen Ende der Straße Ute auf. Sie wollte ja nur finishen und jetzt kommt sie 6 Stunden vor dem Zeitlimit - stark! Ich freue mich so für sie. Sie rennt sogar noch und ein Lächeln quält sie sich auch noch ab, aber ich merke, dass es schwer für sie war. Eine kurze Umarmung und ein schneller Kuss, für mehr ist erstmal keine Zeit, denn in einer halben Stunde gibt es Frühstück im Hotel, oder liegt es daran, dass Ute noch unter 26 Stunden bleiben will.
Um meine Mobilität ist es nicht gut bestellt. So bin ich erst im Zielgelände, als mir Ute schon wieder entgegenkommt. Die Freude ist groß und es gibt viel zu berichten. Letztendlich erzählt jeder seine Geschichte.
Auch Jens, der einen lockeren Eindruck macht und sein “Scheitern” nicht so tragisch sieht - diese Art von Wettkampf ist nichts für ihn, meint er.
Damit ist auch der UTMB 2011 für ihn ad acta gelegt, aber vielleicht begleitet mich Ute, denn sie hat jetzt auch die nötigen Qualifikationspunkte.
Die kommenden Tage muß ich mich aber erst einmal „erholen“, denn am Wochenende ist der Zugspitz-Extremberglauf (17,94km mit 2.235Hm), für den ich mich irgendwann im Frühjahr angemeldet hatte.
2. Trail Verbier - St. Bernard 110,54km - 6.904Hm:
Gesamtplatz: 34 (von 309 Startern)
Altersklassenplatz: 13 (Seniors Hommes - 23 bis 39 Jahre)
Zeit: 19:39:14h
Ort |
km |
Hm |
Uhrzeit |
Zeit |
Platz |
Verbier |
0 |
0 |
05:00 |
00:00:00 |
- |
Croix de Coeur |
9,74 |
990 |
06:35 |
01:35:02 |
77 |
Le Levron |
21,15 |
1.217 |
07:50 |
02:50:16 |
70 |
Sembrancher |
26,65 |
1.237 |
08:29 |
03:29:41 |
71 |
Champex |
34,03 |
2.063 |
09:44 |
04:44:45 |
58 |
La Fouly |
48,38 |
2.794 |
11:44 |
06:44:43 |
43 |
Col de Fenetre |
59,31 |
4.067 |
14:02 |
09:02:18 |
35 |
Gd. Saint Bernard |
62,51 |
4.207 |
14:35 |
09:35:39 |
32 |
Bourg St Pierre |
76,41 |
4.572 |
16:50 |
11:50:49 |
33 |
Cabane Mille |
87,97 |
5.610 |
19:27 |
14:27:04 |
30 |
Lourtier |
98,85 |
5.688 |
21:18 |
16:18:43 |
33 |
La Chaux |
103,73 |
6.834 |
23:05 |
18:05:40 |
30 |
Verbier |
110,54 |
6.904 |
00:39 |
19:39:14 |
34 |
Alle Bilder findet ihr hier.