13.02.2022 | 10:35 Uhr | 44 km | 695 Hm+ | 695 Hm- | (Training) |
Am letzten Februar-Wochenende findet in Mühlleithen der 50. Internationale Kammlauf statt. Als 50-jähriger wäre es da normalerweise Pflicht die 50 Kilometer bis Johanngeorgenstadt und zurück unter die Bretter zu nehmen. Schließlich muß ja auch irgendwer bei diesem Klassiker die hinteren Plätze belegen. Die fünf Stunden Zeitlimit würde ich mir ja zutrauen, doch mit dem rot hervorgehobenen Zusatz in der Ausschreibung ("Unter Einhaltung der zum Wettkampfzeitpunkt geltenden Corona-Schutzverordnungen des Freistaates Sachsen sowie der Allgemeinverfügung des Vogtlandkreises und des Hygienekonzeptes des Veranstalters.") bin ich jedoch schon früher raus. Dann eben nicht "in diesem Leben"! Für einen privaten Besuch auf der Kammloipe benötigt man derzeit jedoch (noch) keine lückenlos dokumentierten Gesundheitszertifikate, neudeutsch "2G+" genannt - daher bleibt mir nichts anderes, als eine Art Ersatz-Kammlauf.
Es ist ja nun schon eine ganze Weile her, als ich mich dem Skisport (u.a. 1988 auch dem Kammlauf) widmete. Mein letzter Wettkampf endete damals mit einem DNF (nicht im Ziel) bei einem 20-km-Wettkampf in Carlsfeld 1989. Ein vorletzter Platz war in meiner Langlauf-Ära stets ein sportlicher Höhepunkt. Doch hier drohte sogar ein Ankommen hinter dem Letzten! Die Bretter waren total verwachst und dementsprechend verschob sich mein sportlicher Horizont von "nicht weit her" zu "überhaupt nicht vorhanden". Nach zwei von vier Fünf-Kilometer-Runden hatte ich die Faxen dicke und erlöste meine bleischweren Beine von den damals noch hölzernen Bremsklötzern und die Loipen haben mich daraufhin mehrere Jahrzehnte nie wieder gesehen. Sicherlich ein Segen für alle halbwegs ambitionierten Skiläufer, doch seit Januar 2019 bin ich wieder im Besitz einer Art Touristen-Edition von Langlauf-Skiern - mit Schuppensohle im Steigbereich, damit ein Verwachsen ausgeschlossen bleibt.
Heute ist die ganze Ski-Präparation jedoch nebensächlich. Die Gleitzonen tragen noch die Überreste des Paraffins des letzten Winters und sind so noch eine ganze Portion stumpfer, als sie es ohnehin schon sind. Wir steigen am Skistadion in Mühlleithen (850 m üNN) in die Spur und nehmen die kleine Schleife zur Kammloipe, queren über die Kammloipenbrücke an der Paßhöhe der Bundesstraße, welche nach Klingenthal führt und sind kurz darauf mittendrin im Schönwetter-Trubel der vielen Kammloipen-Nutzer. Ein kurzer Anstieg (in der Gegenrichtung als II, mittelschwere Abfahrt, klassifiziert) bremst die Euphorie jedoch recht bald. Eine kurze III bergab (schwierig) schließt sich an, ehe der "gefürchtete Anstieg" zum Sattel von Großem Rammelsberg und Großem Hirschberg den schwierigsten Teil der Strecke beendet.
Nun geht es recht gemütlich dahin. Am höchsten Punkt der Kammloipe, der Galgenhöhe (958 m), zeigt die Schneehöhenmessung immerhin 55 Zentimeter an und das Auge erfreut sich am winterlich verschneiten, sonnigen Ambiente. Am Großen Kranichsee Richtung Weitersglashütte und kurz vor Johanngeorgenstadt verlässt die Streckenführung des Kammlaufs dann für größere Schlaufen die Kammloipe, denen wir jedoch nicht folgen, sondern brav auf der Hauptspur bis zur Wende am Johann'städter Loipenhaus bleiben.
Na gut, einmal biegen auch wir von der Kammloipe - am Grenzübergang Hirschenstand (938 m). Dort steht am Wegesrand zwischen Bäumen und "Grenzschildern" ein Imbiß, den wir schon auf unserer Radtour von Chemnitz zum Königssee im Sommer 2020 besuchten und der sich mit seinem Angebot von Speis' und Trank in unseren Köpfen positiv verankerte. Damals waren wir neun Radfahrer, die der Stille und dem Gaumengenuß in den Hängematten im nahen Wald frönten - heute gleicht das Areal einem Volksfestplatz. Mittlerweile ungewohnte (weil verpöhnte) Menschenmassen bevölkern die bereitgestellten Tische und die Warteschlange vorm Ausschank. Der Rubel (resp. Euro) für die tschechischen Betreiber rollt nach langer staatlich verordneter Durststrecke wieder, während auf deutscher Seite immer noch unmögliche Einschränkungen diesem Wirtschaftszweig den Garaus machen.
Verpflegungspunkt Hirschenstand / Jelení
Um wenigstens die Wirtschaft im Nachbarland wieder etwas anzukurbeln, gönnen wir uns am Zollhaus eine längere Pause. Da jedoch die ersten beiden bestellten Biere einer umkippenden Ketchupflasche zum Opfer fallen, werden nach dem etwas ungewöhnlichen "Bezahle vier - trinke zwei"-Prinzip noch zwei Halbliter-Becher zum Durststillen nachgeholt. So kann man uns wenigstens keine (durch den Grenztourismus entstehenden) finanziellen Vorteile vorwerfen.
Auf dem Rückweg von Johanngeorgenstadt warten mit der Rammelsberg-Abfahrt (III) auf einer Ausweichroute und der anfangs erwähnten II kurz vor Mühlleithen noch zwei sportliche Höhepunkte, wobei Nummer 1 uns beide (nochmal) zur Abkühlung in den Schnee am Wegesrand zwingt. Was haben wir da gelacht - zumal man die davon entstandenen blauen Flecken durch die Kleidung noch nicht wahrnehmen konnte.
Nach 44 Kilometern Loipe biegen wir in das Start- und Zielgelände des Kammlaufes ein. Der im Caddy "integrierte" Kocher serviert uns kurz darauf noch zwei Tassen Glühwein. Nach meiner Premiere beim bedeutendsten Skilauf im Erzgebirge, im Jahr 1988, mein zweiter "ins Ziel gebrachter" Kammlauf - da kann man sich schon mal so eine kleine Belohnung gönnen.