ab 15.01.2021 bis kein Schnee mehr liegt |
18,2 km | 320 Hm+ |
320 Hm- |
Die Tradition des nordischen Skisports in Neuhausen geht bis ins Jahr 1922 zurück. Damals wurde eine Wintersportabteilung im örtlichen Turnverein gegründet und im Jahr darauf der Vorgänger des heutigen Schwartenberglaufes ins Leben gerufen. Dessen wechselvolle Geschichte erlebte beschwerliche Jahre, so zum Beispiel beim Neuanfang nach dem Krieg, aber auch Sternstunden mit dem Start von Olympia- oder Nationalmannschaftsteilnehmern, sowie bei der Ausrichtung von Regional- oder Landesmeisterschaften. Einige Umplanungen oder gar Absagen wegen Schneemangels finden sich in der Wettkampf-Historie ebenfalls wieder.
Doch dieses Jahr stehen die Verantwortlichen einer ganz neuen Situation gegenüber. Das Schuleschwänzen für ein besseres Klima und die seit Jahresbeginn eingeführte Klimasteuer zeigen Wirkung. Urplötzlich gibt es wieder einen Winter, mit Frost und jeder Menge Schnee. Einer Austragung des Schwartenberglaufes scheint nichts entgegenzustehen. Wenn da nicht der Hype um dieses Virus wäre, der mittlerweile ganze Landstriche lahm legt - vor allem in der Tourismusregion Erzgebirge. Die winterlichen Rahmenbedingungen stimmen, nur organisierter Wettkampfsport für die breite Masse bleibt (trotz umfangreich vorgelegter Hygienekonzepte) ein Tabu. Der Wintersport als sinnvolle Freizeitbeschäftigung und Arbeitsplatz für viele Gewerbe findet bei den politisch Verantwortlichen kein Gehör. Mit allerlei hahnebüchenen Räuberpistolen (#stayathome #alltagsheld) wird dem Bürger vermittelt, durch Anstarren der eigenen vier Wände mehr für die Gesundheit zu tun, als an frischer Luft durch körperliche Betätigung die Abwehrkräfte zu stärken. Das Wohlergehen der Neuzeit kann zudem nur noch injiziert und nicht mehr durch ein intaktes Immunsystem erlangt werden. Jahrhundertealte Tugenden werden neu definiert, indem die permanenten Warnungen eines Gesundheitsexperten und die daraus resultierenden Alltagseinschränkungen, welche teils widersprüchlicher nicht sein können, als neue Normalität herhalten. Für verschneite Wiesen und Wälder ist schon lange kein Blick mehr übrig, das Atmen frischer Luft scheint verpönt und das herrliche Knirschen des Schnees unter den Fußsohlen nimmt eh niemand mehr wahr.
Freistil-Training 1987 / Wettkampf in Auerbach/E.
Wie gern erinnert man sich da an seine regelrecht unbeschwert gelebte Jugendzeit? Obwohl meine Generation die Schule sogar neben den (turnusmäßig streikfreien) Freitagen auch noch an Sonnabenden heimsuchte, gab es über den Jahreswechsel regelmäßig Kälte und Schnee. Zeit, die u.a. auch mit diversen Skiwettkämpfen "versüßt" wurde. Auch wenn man damals als "dürres Hemd" stets klamme Hände und Füße hatte und wie ich dem Feld nur hinterherruschelte, prägten einen diese Wettbewerbe. Bei einem Lauf in Reitzenhain waren laut meiner Erinnerung mal -20°C (damals zählte einzig die Quecksilberanzeige und es gab die Floskel "gefühlt" noch nicht) und gestandene Wintersportler aus meinem damaligen Verein (SG Einsiedel) waren froh, ihre persönliche Nachwuchsplanung schon abgeschlossen zu haben. Auch der Kammlauf von Mühlleithen nach Johanngeorgenstadt und zurück, wo ich als 16-jähriger die 50 km auf Platz 884 von 971 Finishern beendete, bleibt stets im Kopf präsent. Damals startete ich aus Startreihe 22 von 23 und stand mir beim Einfädeln in die (drei?) Loipen eine gefühlte Ewigkeit die Beine in den Bauch, während vorn die Post abging. Es sind Erlebnisse, die hängen bleiben. An Begebenheiten vom Neuhausener Schwartenberglauf kann ich mich dagegen nicht mehr erinnern, nur eine schöne Holzmedaille von der 60. Ausgabe 1983 nenne ich noch mein Eigen. Grund genug, an diesem Kapitel "weiterzuschreiben".
Schwartenberg im Nebel / Schwartenberglauf 1983
Nun findet also die 98. Auflage des Klassikers nur "individuell" statt. Das heißt, nach Überweisung des Startgeldes (6 Euro) läuft man zweimal die 10-Kilometer-Runde in der klassischen oder freien Technik ab, dokumentiert dies mit einem Strecken- oder Zielbild und bekommt dann eine Teilnahmeurkunde mit Bild und eine Finisher-Medaille zugesandt. Für mich und Ute hat diese Sache jedoch einen Haken - die in Sachsen verhängte 15-Kilometer-Bannmeile, in der man sich unbegrenzt bewegen, diese aber nicht verlassen darf. Früher war es das "nichtsozialistische" Ausland, welches man nur vom Hörensagen kannte und unerreichbar schien, mittlerweile ist es für einen Stadtmensch sogar das Erzgebirge. Heutzutage könnte man zumindest als Kaderathlet die Höhenzüge im Grenzgebiet zum Böhmischen besuchen. Doch dafür habe ich eben früher nicht richtig genug trainiert. Damit ist der Traum von einem Revival in der Loipe im Schatten des Schwartenberges und der dazugehörigen Eiskristall-Holzplakette ausgeträumt.
Start in Bad Einsiedel / Wegweiser am Kluge-Hübel / Ziel in Bad Einsiedel
Wenigstens konnte ich mit Peter und Heidi (Namen geändert) zwei Hobbysportler aus dem Erzgebirge für einen kleinen Abriß vom dortigen Geschehen gewinnen, da beide die grüne Zehner-Spur mal nach Feierabend auf ihren Brettern abwanderten. Der Einstieg in die Schwartenbergloipe befindet sich unweit des Waldgasthofes Bad Einsiedel. Dort beginnt man nach Einwurf eines "schmalen Talers" in eine bereitgestellte Box mit dem Schwartenberglauf. Ganz sachte beginnt der Kurs und nach ein paar hundert Metern werden die ersten Höhenmeter genommen. Nicht übertrieben schwierig gestaltet sich der langgezogene Anstieg zum mit 834 Metern höchsten Punkt der (zu einem Drittel absolvierten) Runde, dem Kluge-Hübel.
Der kleine Rastplatz ist nach dem Deutscheinsiedler Revierförster Helmut Kluge benannt, der sich mit großem persönlichen Engagement für die Wiederaufforstung des Erzgebirgskamms einsetzte. Die hier dominierende Fichten-Monokultur wurde in den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts durch die immensen Abgase aus den Industrieanlagen im böhmischen Brüx derart entstellt, daß diese komplett gefällt werden mußte und danach durch teils rauchresistente und gebirgstaugliche Baumarten unter seiner Leitung "ausgetauscht" wurde.
Einstieg in die Schwartenbergloipe / Ausschilderung der Schwartenbergloipe
Danach hält das Höhenprofil noch zwei, drei kleinere Hügel bereit, ehe es permanent nach unten geht. Die Strecke kreuzt den Hinweg und erreicht nach rund 8 Kilometern den mit 740 Metern tiefsten Punkt im Gelände. Nach einer sanften Steigung gelangt man nun Richtung Ziel, biegt jedoch kurz davor in die Sportplatzschleife ab, welche nach rund 350 Metern mit dem Ziel- oder Rundendurchlauf endet. Für Frauen wäre jetzt der Schwartenberglauf beendet, die Männer müssen jedoch noch einmal in die Spur ... was Frauen sicherlich nicht gänzlich verwehrt wird, schließlich wird für die individuelle 98. Edition keine Rangliste mit Laufzeiten erstellt.
Kluge-Hübel (834 m üNN)
Bleibt mir nur noch mich bei Heidi und Peter für die Zuarbeit zu bedanken. Eine Hoffnung, selbst in diesem Winter die Schwartenbergloipe zu besuchen, habe ich mittlerweile aufgegeben. Zwar hat die Corona-Statistik (Inzidenzwert unter 100, also unter 0,1%) die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Ausgangssperren (15-km-Regel, ebenso nachts) längst erreicht. Doch sie ist das Papier auf dem sie steht, nicht annähernd wert. Statt Lockerungen der Beschränkungen gibt es neue Verschärfungen, wie die Maskenpflicht im Fahrzeug. Wenn es in dieser Art und Weise weitergeht, liegt eher im Hochsommer noch Schnee auf dem Erzgebirgskamm, als daß die Bannmeile bis dahin aufgehoben ist.
Fotos: Peter (11), Thomas (3)
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