16.12.2018 | 9:21 Uhr | 42,195 km | 90 Hm+ | 100 Hm- | (kein Wettkampf) |
Ende April 2008 bestritt ich meinen ersten Wettkampf-42er - den Oberelbemarathon von Königstein nach Dresden. Damals lief natürlich nicht alles nach Plan und so war nach meiner Zielankunft klar: hier mußt du nochmal her und es besser machen! Nun ist es also soweit - zehneinhalb Jahre später stehe ich wieder auf der Festwiese zwischen Bahnhof und Elbe in Sichtweite zur Festung Königstein und warte auf den Startschuß ...
... diesmal ist jedoch alles anders als 2008. Der Advents-Marathon ist kein Wettkampf, sondern mehr eine Art Gruppenlauf zum Jahresausklang. Eine neue Bestzeit auf dem Elberadweg von der Sächsischen Schweiz in die Landeshauptstadt wird es daher für mich nicht geben. Dieser sportliche Jagdtrieb hat sich mittlerweile bei mir gelegt. Heute bin ich hier, um mir das ganze Drumherum noch einmal in Ruhe anzuschauen - zu Beginn die Felsformationen am anderen Elbufer, später von den Elbwiesen aus die Brücken und Schlösser und die Altstadt-Silhouette von Dresden. Dies kam bei meinem ersten Marathon alles zu kurz, denn zu verbissen führte ich damals meinen Kampf gegen die Uhr, welcher zudem richtig deftig verloren wurde.
Es war warm, verdammt warm! Über 20°C und kaum (oder gar keine) Wolken schützten vor der gnadenlos agierenden Sonne. Der erste heiße Tag im Jahr und das komplette Training für meinen Marathoneinstieg fand im einstelligen Temperaturbereich statt. Das konnte nicht gut gehen, zumal ich schon so nicht gern bei Wärme laufe. Im zweiten Abschnitt stand daher der (beim 42er gefürchtete) "Mann mit dem Hammer" auf den Elbwiesen, in mehrfacher Ausführung, regelrecht Spalier und sorgte so für ein unvergeßliches Marathondebüt - gestartet im Sog der Drei-Stunden-Welle gab es bis zum Ziel eine halbe Stunde bitteres "Lehrgeld" obendrauf.
Das Thermometer schafft es diesmal nicht über die 0°C-Grenze und am Fluß ist es generell noch etwas frischer. Trotzdem entscheide ich mich für das kurze Beinkleid - bin ja schließlich in Bewegung und nichts ist schlimmer, als hausgemachtes (also vermeidbares) Schwitzen. Die auf 70 limitierten Startplätze der Marathondistanz sind nicht ganz ausgebucht, ebenso werden von den 180 Teilnehmerbändchen für den Halbmarathon einige nicht benötigt. Mit 15 Euro Startgebühr werden u.a. vier Versorgungspunkte am Streckenrand sowie eine Zielverpflegung abgesichert. Die Anreise zum Startpunkt muß selbst organisiert werden, ist jedoch aufgrund der Nähe des Ziels (Heinz-Steyer-Stadion) zum Bahnhof Dresden-Mitte kein Problem. Für 6,50 Euro erreicht man nach einer dreiviertelstündigen S-Bahn-Fahrt bequem Königstein. Dort verschwindet nicht benötigtes Reisegepäck in einem Transporter und ein Mannschaftsbild vom gesamten Tross dokumentiert den Beginn des Adventslauftreffs. Ein "Los geht's!" ersetzt den Startschuß für rund 60 Läufer, welche durch ein paar Radfahrer auf ihrem Weg begleitet werden.
Von der vorderen Gruppe wird ein recht zügiger Laufschritt gewählt - vom Gefühl her eine Rückblende an den Zug- und Bremsläufer mit dem 3-h-Ballon von damals. Bis Kilometer 18 in Pirna konnte ich 2008 noch mitgehen, danach war Schluß und ich mußte meinem (schon leicht enteilten) Mitstreiter auf der Gegenstrecke mit einer abfälligen Handbewegung meinen Rückzug in ein milderes Tempo signalisieren - für einen Zuruf fehlte ganz einfach die Luft. Diesmal lasse ich mir kein Tempo vorschreiben und bin schon nach ein paar Kilometern aus dem Windschatten der ersten Läufer nach hinten getreten. In Rathen schließe ich zwar nochmal zu den Führenden auf, aber auch nur, weil die Schranken am Bahnübergang geschlossen sind und sie daher den Umweg durch die Unterführung wählten.
Der erste Verpflegungspunkt wartet nach zehneinhalb Kilometern mit Wasser, Tee, Cola, Schokolade, Lebkuchen sowie Apfel- und Bananenstücken auf die Teilnehmer. Als Bonus liegt sogar noch eine Schachtel Zigaretten für die ganz Harten bereit. Ich gehöre definitiv nicht dazu und bin daher nach dem hastigen Verzehr von mehreren Apfelstücken wieder in der Spur. Nach Obervogelgesang kommt wenig später die Schlaufe durch den Stadtkern von Pirna. Zum Glück habe ich zwei streckenkundige Läufer vor mir und muß mir daher den Weg nicht mühsam zusammenreimen. Vorbei an der Kirche und am Weihnachtsmarkt führend, findet die Strecke wieder zurück zur Elbe und nach 18,8 Kilometern ist am Ruderhaus der zweite VP erreicht.
Hier starten gegen 11:15 Uhr die Teilnehmer des Halbmarathons, welche bei meinem Eintreffen gerade in Scharen vom Bahnhof gelaufen kommen. Trotz meines langgezogenen Aufenthalts am Versorgungsfahrzeug (der Becher Tee war viel zu heiß und benötigte daher die entsprechende Zeitspanne) gelingt es mir nicht, Vereinskamerad Holger im Gewühl der Halbmarathonis zu entdecken. Erst als ich mich aufmachen will, kommt es doch noch zum kurzen Plausch mit ihm. Vielleicht sehen wir uns ja für ein längeres Gespräch noch einmal im Ziel? Die Halbmarathonmarke passiere ich diesmal nach 1:51 Stunden, 2008 war ich da genau zwanzig Minuten schneller. Doch beim Marathon zählt bekanntlich die zweite Hälfte und die war vor zehn Jahren mit fast zwei Stunden extrem ausgedehnt.
In Heidenau gibt es dann die seit Jahren bestehende, mir aber unbekannte Umleitung des Elberadweges durch die Ortslage. An dessen Ende verkündet ein Verkehrsschild nur noch einen Kilometer bis Dresden - bis zum Ziel sind es (laut Uhr) aber noch rund 17 Kilometer. Die ersten Dresdner Vororte (Zschieren, Kleinzschachwitz) werden kurz darauf passiert und nach dem Blick auf Schloß Pillnitz gibt es in Laubegast nach 30,5 Kilometern die nächste Verpflegung. Für Marathonläufer stehen hier zusätzlich noch Gels auf dem Speiseplan, doch Schokolade und Cola sind mir dann doch die "herkömmlicheren" Lebensmittel, so daß ich verstärkt auf diese zurückgreife.
Nun ist es nicht mehr weit! Und schon nach fünf weiteren Kilometern gibt es im Schatten des "Blauen Wunders" (Löschwitzer Brücke) noch einmal eine Getränkepause. Die Wolken weichen nun der Sonne, doch es bleibt frostig. Kein Vergleich mit 2008, als mir auf den folgenden Elbwiesen durch die penetrante Sonneneinstrahlung endgültig der Zahn gezogen wurde. Trab und Wandern wechselten sich ab - heute kann ich meinen Trab beibehalten und auch die Schönheit der Elbaue genießen. Die drei Elbschlösser (Albrechtsberg, Eckberg und Lignierschloß) auf der anderen Elbseite haben heute meine volle Aufmerksamkeit. Die umstrittene Waldschlößchenbrücke war damals noch eine Baustelle, heute verbindet sie die Radeberger Neustadt mit Johannstadt. Für diese moderne Form der Elbquerung wurde dem Dresdner Elbtal der Welterbe-Titel aberkannt. Auch rund um das Terrassenufer, entlang der Altstadt gibt es noch genug Arbeit für die Augen - zusätzlich zur Betrachtung der historischen Bausubstanz kommt hier noch die Wegfindung durch den Besuchertrubel.
Eine dreiviertel Tartanbahnrunde steht nun noch an. Es wird ein einsamer Einlauf zum Ziel - keine Zuschauer, keine Hüpfburgen, keine Freßbuden und sonstiges auf dem Grün des Stadions. Doch all' das half 2008 auch nichts mehr! Es war ein Spießrutenlauf, zumindest kam es mir damals so vor. Heute kann ich ganz entspannt die gähnende Leere des Stadionrunds genießen und sogar noch mit einer (ganz ganz) leichten Tempoverschärfung glänzen.
Es ist 13:07 Uhr, als ich die Uhr vor dem Casino im Steyer-Stadion ausdrücke - 3:45:58 Stunden nach dem Start um 9:21 Uhr habe ich den Oberelbemarathon ein zweites Mal beendet. Zwar liegen zwischen den zwei Zielzeiten Welten, aber heute bin ich zufriedener als bei meinem Marathondebüt, auch wenn die zweite Hälfte des Laufes nur unwesentlich "schneller" als 2008 ist. Heute brauche ich kein "Erdinger alkoholfrei" und andere isotonischen Getränke, um irgendwelche Flüssigkeitsdefizite auszugleichen - heute tuen es ein Stück Stollen und eine Bratwurst mit Ketchup, um mal so richtig zu sündigen! Quatsch - Sünde wäre, wenn ich mir als Lohn weitere Apfelstücken oder stilles Wasser hinter die Binde geschoben hätte! Alles in allem ein schöner Marathon-Ausflug in die Dresdner Ecke zum dritten Advent.