17.07.2019 | 7:00 Uhr | 233 km | 20.000 Hm+ | 20.000 Hm- | (DNF) |
Eufòria dels Cims - ein permanentes Hochgefühl bei der Gipfeljagd verspricht der Name dieses Mannschaftswettbewerbs, der zum dritten Male im Rahmen des "Andorra Ultra Trail Vallnord" ausgetragen wird. Doch diese Euphorie ist bei Ute und mir nur sehr selten und dann nur recht kurz während unserer Betätigung zu finden - eine Nummer zu groß und somit unlösbar erscheint uns während des Wettkampfes die Aufgabe, die 233 Kilometer in 110 Stunden zu bewerkstelligen: Bedenken statt Begeisterung, Pessimismus statt Enthusiasmus, Qual statt Vergnügen! Ein Scheitern nach 122 Kilometern, das mit einer Fußverletzung wenigstens noch eine gängige "Ausrede" parat hält ...
Andorra und die Pyrenäen sind für uns absolutes Neuland. Nach zweitägiger PKW-Anreise mit Zwischenstop nach 1.400 Kilometern am Mittelmeer und einer finalen Bergetappe durch Katalonien beziehen wir eine Ferienwohnung in L'Aldosa de la Massana. Von dort sind es bis zum Start- und Zielbereich in Ordino knapp zwei Kilometer Fußweg. Ein idealer Ausgangspunkt für eine 28-km-Eingehtour zum höchsten Punkt der Strecke und zugleich höchsten Punkt des Fürstentums - dem Gipfel des Comapedrosa (2.945 m). Aber auch die kleine 15-km-Schleife um Ordino, welche Anfang und Ende der Eufòria-Streckenführung darstellt, wird von uns unter die Lupe genommen. Leider stellen diese beiden Touren nicht das beim Wettkampf gängige Geläuf dar. Dafür hätten wir weiter ins "Landesinnere" gemußt, um uns die wirklich zeit- und kräfteraubenden Sektoren der Strecke zu Gemüte zu führen.
Das Eufòria-Abenteuer ist in etwa vergleichbar mit dem beim UTMB ausgetragenen PTL (Le Petite Trotte à Léon): Eine Zweiermannschaft qualifiziert sich über eine gewisse läuferische Vorleistung (Wettkampf über 150 km mit 7.000 Hm+ oder Etappenlauf von 200 km mit über 7.000 Hm+) und ein medizinisches Zertifikat für diesen Wettbewerb. Die Streckenführung ist mittels GPS-Gerät und einer bebilderten und englisch kommentierten Wegpunktbeschreibung für die Teilnehmer nachvollziehbar. Es gibt ein klares Reglement über Verhaltensregeln sowie mitzuführende Ausrüstung und einen Strafenkatalog für deren Nichtbefolgen. Dieser reicht von Zeitstrafen über Disqualifikation bis zu einem Ausschluß von zukünftigen AUTV-Veranstaltungen. Während dieser Andorra-Runde gibt es vier Zeitlimits (an den vier Verpflegungspunkten) auf der Strecke und eines im Ziel, welches jedoch nur pro forma besteht. Gerade einmal ein Prozent der Strecke wird auf Asphalt absolviert, der Rest auf Wanderwegen (3%) sowie Trampelpfaden und weglosem Gelände (96%). Die Gebühr für den Ausflug in Andorras Bergwelt kommt mit 246,23 Euro pro Nase gegenüber dem PTL (2019 pro Mannschaft satte 1.200 Euro!) regelrecht bescheiden daher - dafür ist er aber auch rund 70 Kilometer kürzer und hat knapp 5.000 Höhenmeter weniger. Leichter ist er deshalb aber auf keinen Fall!
Zur Vorbereitung gehört natürlich auch das Bekanntmachen mit der unbekannten Strecke - soweit dies aus der Ferne möglich ist. Dabei fallen natürlich die teilweise stark abweichenden Kilometerangaben in den "amtlichen" Informationen und bei den Daten auf dem GPS-Gerät auf. Ebenfalls suspekt erscheint die Einteilung der Zeitschranken. So werden die ersten 47 oder (nach anderen Angaben) ersten 50 Kilometer mit 26 Stunden Laufzeit ermöglicht, die letzten 49 bzw. 54,5 Kilometer jedoch nur mit 16 Stunden. Aufgrund der fordernden Strecke mit dem daraus folgenden, körperlichen Verschleiß erscheint dies sehr unrealistisch.
Los geht's am Dienstag Nachmittag 14:30 Uhr mit dem Briefing in spanisch und katalanischer Sprache im örtlichen Vorlesungssaal (Auditori Nacional), 16 Uhr folgt dieser Pflichtteil in Französisch und Englisch. Dabei wird zum üblichen Standard u.a. das Wetter erörtert, welches sich teilweise mit eventuellem Regen und Sturm nicht gerade läuferfreundlich präsentieren soll. Deshalb wird den Ersatzstrecken eine größere Bedeutung beigemessen. Blöderweise gibt es dabei eine Streckenänderung (Alternative B11: Montaner - Margineda), welche erst ein paar Tage zuvor aktualisiert wurde. Auf meinem GPS-Gerät ist demzufolge noch die alte Route gespeichert. Ein Aufspielen des neuen Tracks scheitert jedoch mehrfach unter fachlicher Anleitung und so gibt es von "Directora" Lídia die Ausnahmegenehmigung, den Kartenauschnitt der Änderung gespeichert als Bild auf dem Telefon zur Navigation nutzen zu dürfen.
Wer am Briefing teilgenommen hat, was durch ein Armbändchen bestätigt wird, bekommt ab 17 Uhr seine Startunterlagen. Neben einer Startnummer gibt es eine Tasche, die an den vier Verpflegungspunkten bereitstehen wird, sowie Kompressionsstrümpfe, Armlinge und ein Unterhemd im AUTV-Look. Die (gefüllten) Taschen für den persönlichen Bedarf müssen dann bis 21 Uhr in der Nähe des Starts abgegeben werden. Unser Inhalt: Wechselschuhe, Wechselkleidung, Batterien und viermal Verpflegung für die jeweils folgende Etappe.
Der Wecker beendet 4:30 Uhr die viel zu kurze Nacht. Das Frühstück beschränkt sich auf Kaffee und ein halbes Baguette mit Nutella. Das Hungergefühl ist naturgemäß noch nicht übermäßig vorhanden und so ist der Pfirsich für den Weg nach Ordino schon ein scheinbar überflüssiger Nachtisch. Ab 6 Uhr ist der Startbereich geöffnet. Nach Vorzeigen der Stirnlampe und der Ersatzbatterien als Teil der Pflichtausrüstung wird der Zutritt gewährt. Zuvor wird noch ein etwas globiger Tracker (zur Streckenaufzeichnung) am rechten Arm befestigt und mit einem Armbändchen "verblombt", damit dieser auch nicht unterwegs den Besitzer wechseln kann.
Fast eine dreiviertel Stunde sitzen wir nun innerhalb der Absperrgitter und beobachten das rege Treiben. Insgesamt 65 Mannschaften a zwei Personen drängen sich so nach und nach in die Box. Interviews und Filmaufnahmen bis es ernst wird. Die Klänge der lokalen Flötentruppe werden nun von professioneller Musik vom Band abgelöst: eine kraftvoll vorgetragene Version von Carl Orff's Carmina Burana, nur unterbrochen von künstlichem Rauch, Konfetti und ein paar Böllerschlägen. Das Herunterzählen beginnt ... die Reise startet! Wir gehen es ruhig an und durchlaufen dabei als letztes Doppel den Startbogen.
Behände schlängelt sich nun der Wurm von 130 Läufern durch die Ortschaft (1.280 m), vorbei am Fußballplatz des andorranischen Erstligisten "Futbol Club Ordino", der seine Punktspiele allerdings in Aixovall austrägt. Kurz darauf verschwindet die Schar (für kurze Zeit) im Gelände. Ein kleiner Schwenker durch Ordino folgt dem noch, ehe es endgültig aus der Zivilisation geht. Am Riu de Segudet wird der Weg etwas anspruchsvoller und am Bergrücken des Serrat de l'Enfreu öffnet sich vorerst ein letzter Blick auf Ordino. Der GR 11 (der elf Etappen umfassende Pyrenäenweg - El Gran Recorrido de los Pireneos) bringt uns nun im Auf und Ab zur Hochebene Sornàs Planes (1.580 m) - Kilometerpunkt 6 und im Zielanlauf Kilometer 231 der Runde. Dort biegen wir auf einen Waldweg hinauf nach Ensegur (1.836 m) ab. Auch hier wird das erste Höhenmeter-Sammeln durch einige Bergab-Passagen unterbrochen. Die Baumgrenze ist ab 2.100 m erreicht und glücklicherweise verschont uns die starke Bewölkung vor noch mehr Wärme durch Sonneneinstrahlung. Dieser Weg, der uns jetzt zum Coll d'Arenes (2.538 m) führt, ist komplett auch für den Rückweg zum Ziel vorgesehen. Rechterhand wird dabei der Pic de Casamanya Nord (2.749 m) als letzte Schwierigkeit (bei dessen Abstieg) überquert.
Wir halten uns jedoch links und nehmen den Weg am Rücken des Serra de l'Estanyó zum Collada de Ferreroles (2.538 m). Wir schwenken nun in den Parc Natural de la Vall de Sorteny ein und nehmen Kurs auf den Estany de l'Estanyó (2.339 m), einem Karsee im Schatten unseres ersten Gipfels der Tour - dem Pic de l'Estanyó (2.915 m). Bevor wir jedoch den Weg über den Grat des Serra del Roc del Rellotge nehmen, ist erst einmal eine Ess- und Trinkpause angesagt. Ich befinde mich jetzt schon in einem verherenden Zustand. Ich habe keine Kraft in den Knochen und jeder Anstieg fällt mir äußerst schwer. Trainingsdefizit? Fehlende Höhenanpassung? Das "zweite Frühstück" mit Brot, Wurst und mit Bergseewasser verdünnter Fanta mindert zumindest kurz dieses Defizit.
Wir erreichen kurz vor 12:30 Uhr den Fuß des Pic de l'Estanyó. Nun sind es vielleicht noch 50 Höhenmeter im Fels in südwestlicher Richtung bis zum Gipfel, welche jedoch auch wieder zurück zu unserem Ausgangspunkt zurückzulegen sind, bevor es weiter gen Nordosten geht. Ein "Berg Heil!" und ein Schnappschuß von der Steinpyramide, dazu ein flüchtiger Rundum-Blick und wir sind wieder im Abstieg. Sicherlich hätte man seinen Rucksack für diesen Stichweg auch "unten" stehen lassen können, wie es von einigen Pärchen gehandhabt wird - entspricht aber unserer Auffassung nicht der Ethik des Laufes, seine Pflichtausrüstung (und die ist nun mal im Rucksack) permanent mit sich tragen zu müssen. Doch das muß jeder selbst für sich entscheiden! Ebenso ist es sicherlich nicht im Sinn der Sache, wenn der gut trainierte Mann den Rucksack der Frau noch mit schultert, weil diese im Anstieg (ohne Zusatzlast) noch mehr schnauft, wie ich es geräuschlos praktiziere. Solche Art Teamgeist ist sicherlich ebenso nicht erlaubt.
Der Weg verläuft nun erst einmal auf dem Kamm. Einem Felsenabschnitt folgt eine Bergwiese mit hunderten Enzian, ehe es felsig zum Pic de la Cabaneta (2.863 m) geht. Von dessen Gipfel-Steinmännchen geht es wieder zurück auf den breiten Bergkamm und von dort nahezu weglos in ein Schuttfeld. Mit den flachen, nicht allzu großen Steinen (aber auch auf Schneefeldern) rutschen wir nun um die Wette gen Tal. Wir verlieren schnell an Höhe und treffen auf rund 2.500 m auf die Rinnsale Clots de la Serrera. Dem üblichen Auffüllen der Flaschen (und damit weiteren Verdünnen der Zitro-Fanta) schließt sich noch eine schnelle Mahlzeit aus Nüssen und Rosinen an. Auf (für die Ronda dels Cims und Mític) markiertem Pfad nehmen wir den Collada dels Meners (2.719 m) ins Visier. Von dessen Scharte führt ein langgezogener Weg zum Pic de la Serrera (2.913 m) oder (französisch) Pic de Serrère, einem Berg auf der Grenze zu Frankreich.
Wir bleiben nun auf dem Grat der die Landesgrenze markiert - drei Mixed-Duos aus den USA, Frankreich und Deutschland. Den Herren obliegt dabei jeweils die Navigation durch die Steinwüste. Der Abstieg ist nicht ganz ungefährlich, da die Wegpunkte für das GPS nicht zu üppig gesetzt wurden und im oft weglosen Terrain diese damit vorgegebene Direktlinie gern als der schnellste Talmarsch angenommen wird. So ist es aber nicht! Als Strafe für diese Naivität müssen wir uns an den Felsplatten wieder zum Grat zurückhangeln. Ab dem Paß Portella de la Cebollera (2.680 m) wird es wieder angenehm. Anfangs über eine Wiese und später entlang des Riu de la Cebollera mündet der Bergpfad auf den GRP (den Fernwanderweg durch Andorra - Sendero de Gran Recorrido de País), welcher uns zur bewirtschafteten Berghütte Refugi Borda de Sorteny (1.965 m) führt.
Wie viele andere Mannschaften auch, nehmen wir uns eine kurze Auszeit im Inneren der Hütte. Für 21 Euro gibt es je zwei Büchsen Bier und Cola, dazu noch ein Nudelgericht. In der Zwischenzeit geht draußen ein kräftiger Regenguß nieder. Die Amerikaner kommen nur gut fünf Minuten nach uns in den Gastraum und sind völlig durchnäßt. Sie stört dies nicht und starten nach einer knappen halben Stunde Pause auch wieder (gut eingepackt) in den Regen. Zu diesem Zeitpunkt sind wir mit dem Essen noch nicht ganz durch und so verschiebt sich unsere Startzeit um weitere zehn Minuten. Für uns wurde die Bewässerung allerdings abgestellt und die Sonne zur Trocknung der reichlich bewachsenen Wege hinzugezogen. Besseres Timing geht fast nicht! Kurzes Schulterklopfen und weiter.
Nach der Überschreitung des Planell del Quer (2.050 m) gelangen wir ins Vall de Rialb. Der Weg führt nun entlang des Riu de Rialb, der bei dieser Wärme natürlich zum Baden einlädt, und an der unbewirtschafteten Refugi de Rialb vorbei, welche etwas abseits vom Weg liegt. Von dort beobachten zwei Bergwanderer gespannt das Treiben auf dem Wanderweg unten am Fluß. Sie scheinen mit ihrem Tagwerk fertig zu sein. Sie machen es sich in der Nachmittagssonne gemütlich, während wir noch "müssen". Gern würde ich mit ihnen tauschen, aber erst ein Bad im Fluß nehmen, bevor ich die Füße hochlege. Doch wir wollten es eben anders und nicht diesem wunschträumerischen Luxus frönen!
Wenig später (in der Nähe der alten Steinhütte Cabana dels Planells de Rialb) verlassen wir den Talweg und nehmen die nächste Steigung: zuerst noch ganz normal auf einem Pfad, dann über einen Bach ins Gesträuch, ab da weglos durch Gras, Wasserlöcher und Sträucher. Port de Siguer (2.395 m) heißt unser nächstes Ziel! Ein Paß an der Grenze zu Frankreich, von dem man einen herrlichen Blick auf den 16,5 Hektar großen Bergsee Estany Blau (französisch: Étang Blaou) hat. Ein paar Minuten und ein paar Gesteinsbrocken weiter oben, am Aussichtspunkt Turó del Port Vell (2.489 m) ist dieser Ausblick um einiges schöner. Eingebettet im Talkessel der Bergstöcke Pic de l'Estany Blau, Pic de Thoumasset und Pic de Port de Siguer schimmert der See durch gelegentliche Sonneneinstrahlung zu uns herüber.
Viel Zeit zum Verweilen bleibt nicht und ein rasanter Abstieg durch Bewuchs, Schlamm und Wasser bringt uns zum wieder zum Bach Riu de Rialb. Den folgenden Anstieg zum Paß Portella de Rialb (2.511 m) hatten wir schon die gesamte Zeit im Blick. Dieser zehrt wieder ordentlich! Doch der Ausblick von der Scharte ist noch ernüchternder. Im gegenüberliegenden Talschluß sind die Serpentinen der Straße vom Skigebiet Vallnord-Arcalís deutlich in die Landschaft gezeichnet - an dessen Ende befindet sich unsere erste Verpflegungsstation, zu der jedoch noch einige Umwege in der Streckenführung eingebaut sind.
Vorbei an Dutzenden Schafen, die zwischen dem Gestein die karge Vegetation kurzhalten, erreichen wir das Plateau von Castellar (ca. 2.700 m). Auf recht moderatem Weg wird nun der nächste Berg im Hin und Zurück genommen - der Pic de Font Blanca (2.903 m). Da es sich wieder um einen Gipfel auf der Landesgrenze zu Frankreich handelt, ist sein "zweiter Name" Pic du Port. Der Weg ist verhältnismäßig lang und man hat demzufolge auf häufig Kontakt mit entgegenkommenden Paaren. Und weil man auch auf diesen Gipfel die Rückenlast nicht unbedingt mitnehmen muß, wird dies auch wieder von manchen so gehandhabt. Diesmal gibt es jedoch eine klare Ansage unter Landsleuten. Anderen stinkt diese Methode also auch und so wird von zwei Franzosen ein ernstes Wort mit den "Sündern" geredet - allerdings umsonst, denn an deren Vorgehensweise ändert sich auch bei noch kommenden Stichwegen nichts! Falls dann aber etwas passieren sollte, liegt der Rucksack mit der Pflichtausrüstung vielleicht hundert Höhenmeter weiter unten. Dann kann man sich ja immer noch an diejenigen wenden, die ihren Scherbel immer dabei haben - und Hilfe in Not ist ja nicht nur im Gebirge Pflicht, sondern Bestandteil der Ethik des Laufes.
Der Abstieg zieht sich - erst sehr gemächlich über die langgezogene Hochebene, dann im leichten Zickzack etwas steiler und am Riu Comis Vella im recht felsigen Terrain. Es dämmert bereits, als wir zu unseren Vorderleuten am Estany Esbalçat (2.280 m) aufschließen. Dort werden dann komplett die Stirnlampen auf den Kopf montiert und der weitere Weg Richtung Estanys de Tristaina genommen. Bis auf rund 2.100 Meter Seehöhe geht es nun hinab, ehe ein wegloser Anstieg durch hüfthohen Bewuchs von Gras und Disteln die direkte Linie zum Tristaina primer (2.249 m), dem untersten der drei Tristaina-Seen, nimmt. Ein Holzsteg führt über dessen Ablauf, der als kleiner Wasserfall eine hilfreiche Orientierung beim Bergauf darstellte. Wir passieren das Gewässer linkerhand und münden unweit des Tristaina del Mig (2.288 m) auf den Pfad zum Paß Port de Creussans.
Der Stecker bei mir scheint gezogen! Nichts geht mehr! Nur noch taumeln und jammern (ich hoffe, es war für Ute nicht ganz so schlimm)! Eine Pause muß dringend her - alles mitgeführte zucker- und koffeinhaltige Klebzeug wird nun vertilgt und mit Wasser nachgespült. Die Zwangspause zeigt Wirkung. Zumindest konnte der Kopf so gut verarscht werden, daß es wieder "läuft". Der GPS-Track und die Lichtkegel der vor uns befindlichen Mannschaften leiten uns auf halber Höhe direkt zum Gipfel des Punta de Peiraguils (2.702 m).
Die fehlende Sicht (trotz Vollmond) läßt uns gleich wieder in die Spur gehen. Nun steuern wir den Port de Creussans (2.621 m) von oben an. Dort weist in der Nähe eines Schleppliftes ein Holzschild auf den Grenzverlauf zwischen Andorra und Frankreich hin. Vor uns liegt nun der letzte Berg des ersten Streckenabschnittes - der Pic de Creussans (2.679 m). Von diesem führt laut Karte ein Weg ins Tal, nur ist dieser in der Dunkelheit und den vorbeiziehenden Nebelschwaden im oberen Teil, selbst mit GPS-Steuerung nicht auszumachen. Wir tappen mit zwei Franzosen regelrecht im Dunklen. Erst zwischen den Felsgebilden oberhalb des Estany de Creussans (2.426 m) scheren wir auf den Pfad ein, der später in eine breite Schotterpiste mündet. Die Lichter von Coma d'Arcalís (2.200 m) sind nun schon von weitem zu sehen - kurz nach 1 Uhr (acht Stunden vor dem Zeitlimit) ist der erste Verpflegungspunkt unserer Runde erreicht. Hier endete am Sonntag die Volta als Ports d'Andorra, ein Ein-Tages-Radrennen mit Volkssportcharakter - aber auch die Vuelta a España oder die Tour de France machten in Arcalís schon Station.
Am Eingang zur "Gaststube" wird das Handgelenk vom Tracker befreit und die Läufertasche gereicht. Die Suche nach einem freien Plätzchen im Raum ist die erste Aufgabe, ehe die geschundenen Füße von Schuhen und Socken erleichtert werden. Danach wird das Buffett gestürmt - Oliven mit Thunfisch und Bohnen, dazu Orangensaft und Cola. Sicherlich kann man sich auch vernünftiger ernähren, aber auf dieses "Gemisch" hatte ich nun gerade einmal Appetit. Beim zweiten Gang kommen zu den Oliven noch Nudeln dazu - Melonen- und Orangenstücken gibt es als Nachtisch.
Die Blasen an den gesäuberten Füßen werden mit der Fingernagelschere aufgeschnitten, desinfiziert und großzügig mit Kinesiotape abgedeckt. Wir entscheiden uns danach für einen Besuch im Schlafraum, kommen aber wirklich nur ganz kurz zur Ruhe. Da wir uns danach wie gerädert fühlen, versuchen wir unser Glück nach einer weiteren Essenspause erneut. Diesmal ist die Geräuschkulisse jedoch noch stärker ... mal ein Wecker dort ... mal ein endloses Tütenrascheln in einer anderen Ecke ... fehlt nur noch, daß einer das Licht anmacht und sich rasiert. Tja, beim Briefing nicht richtig zugehört, denn diese Dinge können/sollten außerhalb der Ruhezone getätigt werden. Daher muß ich fast lachen, als mich auch noch fälschlicherweise ein Franzose versucht zu wecken. Da ich nicht gleich reagiere, probiert er es mehrfach und erschrickt, als er den Irrtum bemerkt. Er entschuldigt sich, doch das ist nicht nötig, da ich eh wach bin und mit Ute zur Tagesordnung übergehen will.
Mit neuen Socken an den Füßen und aufgefüllten Rucksäcken (Eigenverpflegung, Riegel und Gels vom Stand, je ein Liter Wasser, je ein Liter Cola-Wasser-Gemisch) machen wir uns 6 Uhr wieder aus dem Staub. Die Pause war fast zu lang, aber bitter nötig. Mit neuem Elan starten wir in den neuen Tag! Zwei vom GPS direkt gezogene Linien ermöglichen nun schneller die ersten sanften Höhenmeter zu einer Felsgrotte. Dort biegen wir ins Gelände ab, haben jedoch immer noch die baulichen Verfehlungen des Skigebietes im Blickwinkel. Im Talschluß erleben wir dann den Sonnenaufgang - am Pic de l'Hortell mogeln sich die ersten Sonnenstrahlen zu uns herüber und kündigen so einen noch wärmeren Tag an. Noch ist es ganz angenehm, doch ein fast wolkenloser Himmel läßt dies erahnen.
Bretxa d'Arcalís (2.715 m) heißt der nächste Paß. Die Aussicht zu beiden Seiten ist spektakulär, doch noch ein paar Minuten später, auf dem Pic de Cataperdís (2.806 m), wird diese übertroffen. Im französischen Teil der Pyrenäen liegt die Wolkendecke mehrere hundert Meter unter uns und gen Süden blickt man in die schier endlosen Bergketten des Gebirgszuges. In einem der zwei Steinmänneln der Spitze liegt sogar ein Gipfelbuch aus. Auf den ersten Blick ist dieses als solches nicht gleich erkennbar, da dessen Einband mit "MY COOK BOOK" beschriftet ist. Eine Sammlung leckerer Gerichte, die hier auf dem Berg mit Gaskocher und Blechgeschirr schon zubereitet und so dem Cataperdís in "seinem" Kochbuch verewig wurden? Wäre durchaus möglich aber eher unwahrscheinlich. Vielleicht haben sich aber doch viele Bergtouristen von diesem Einband täuschen lassen, denn die Anzahl der Einträge ist überschaubar. Ich füge unsere zwei Namen jedenfalls mit wackliger Handschrift hinzu, schließlich gab es während dieser Bergfahrt noch keine Pause zur Stärkung und über die Veredlung unseres Wanderproviants gibt das Buch ja keine Auskunft.
Wir nehmen den selben steinigen Weg zurück zum Paß. Danach wird es einfacher, aber steiler im Bergab. Wir beziehen daher erstmals unsere Stöcke in die Unternehmung mit ein, da es definitiv besser für die Knie und die Oberschenkel ist. Wir gelangen zu den Estanys de l'Angonella - drei Seen, die wir im Slalom nehmen: Estany de Més Amunt (2.440 m), Estany del Mig (2.346 m) und Estany de Més Avall (2.296 m).
Steil und steinig führt nun der Weg nach oben: zum Coll del Pic del Clot del Cavall (2.612 m). Wir lassen die nordöstlich befindliche Felswand des Bergrückens rechterhand liegen und nehmen am Hang den Pfad hinauf zum Höhenzug, der die nordöstliche Grenze des Parc Natural Comunal de les Valls del Comapedrosa bildet. Dort passieren wir den Pic de la Burna (2.656 m), der durch eine Art Meßstation von weitem sichtbar ist. Ein paar langgezogene Höhenmeter weiter am Ende des Kamms stehen wir, zusammen mit rund zwanzig spanischen Pfadfindern auf dem Pic de les Fonts (2.749 m). Der Blick ins Rund ist wiederum phantastisch, offenbart uns allerdings auch den Anstieg zum Comapedrosa und dieser ist bei weitem nicht so romantisch, wie wir ihn vor ein paar Tagen über den GR 11 unternommen hatten. Ein riesiges Schuttfeld zeugt von der nächsten Herkulesaufgabe für uns. Doch noch haben wir etwas Zeit dafür - die Zeit, die uns in den Talschluß des Pla d'Estany bringt.
Über den Collada de Montmantell (2.650 m) steigen wir recht steil in die Weideflächen Pleta de Montmansell (2.300 m) ab. Die Sonne macht dabei schon ordentlich Betrieb und jede sich bietente Gelegenheit wird nun genutzt, die Trinkflaschen aufzufüllen oder um Mütze und Hemd zu befeuchten. An der Weggabelung (2.100 m) zum GR 11.1, einer Ausweichroute des Pyrenäenweges zum Estany Forcats, machen wir eine erste längere Eßpause. Dabei beobachte ich ein Team bei ihrem Kampf im Aufstieg zum Comapedrosa. Ich versuche mir deren Weg so gut es geht grob einzuprägen, um später nicht permanent das GPS-Gerät dazu befragen zu müssen. Was ich, aufgrund der Entfernung (beide sind fast nur als bunte Punkte im Fels auszumachen), nicht sehe: die Streckenführung ist mit roten Wimpeln markiert! Das erleichtert die Wegfindung ungemein, da es im oberen Verlauf nur noch durch eine nicht enden wollende Steinwüste geht.
Blockgelände und ein sehr steiler Schlußanstieg zum Collada del Forat dels Malhiverns (2.823 m) rundet den ganzen Spaß noch zünftig ab. Danach ist es nicht mehr weit und wir stehen zum zweiten Mal (nach unserer Bergtour vom 13.07.) auf Andorras höchstem Berg - dem Pic de Comapedrosa (2.943 m). Das Fürstentum und weite Teile der Pyrenäen liegen uns zu Füßen, doch Zeit für eine ausführliche Bergschau ist heute nicht!
Bergab nahmen wir dann endlich wieder Fahrt auf - anfangs im felsigen Untergrund des Abstiegs vom Gipfelaufbau noch mit Zuhilfenahme der Hände. Auf dem GR 11 zu den Bergseen Estany Negre (2.628 m) und Basses d'Estany Negre (2.590 m) läuft es dann richtig gut. Wir überholen dabei die Franzosen, die im Anstieg zum Comapedrosa noch mehr als eine Stunde Vorsprung auf uns hatten. Der Weg zur Hütte ist uns von unserer Bergtour bekannt. Am Refugi de Comapedrosa (2.267 m) gönnen wir uns ein Potpourri an Erfrischungsgetränken. Für 14 Euro gibt es da zwei 0,33er Büchsen Radler, eine Büchse Bier und eine Büchse Nestea - wobei letztgenanntes Getränk als Unterwegsverpflegung im Rucksack verschwindet. Der Andrang an der Berghütte hält sich um diese Uhrzeit in Grenzen und so gönnen sich die Frauen des Hauses eine Pause an der frischen Luft - ebenso dabei der Hüttenhund, der natürlich unsere Wurstvorräte im Rucksack wittert. Diese sind jedoch streng limitiert und nicht noch für eine Tierfütterung ausgelegt.
Über ein Plateau gelingt das Anlaufen wieder ganz gut, doch im hinteren Teil des "Tales" wartet ein weiterer kurzer, heftiger Anstieg. Der nächste Paß markiert den Grenzverlauf zu Spanien oder besser gesagt, zu Katalonien. Am Portella de Sansfonts (2.579 m) verlassen wir für die nächste viertel Stunde Andorra in die katalanische Provincia de Lleida und nehmen einen wirklich gut zu laufenden Trampelpfad zwischen Pferdekoppeln zum Coll Petit (2.433 m). Dort beginnt der längere unschwere Aufstieg zum Roc Rodó (2.512 m). Wir legen eine unserer vielen Rasten ein, stärken uns, genießen kurzzeitig die Aussicht und registrieren dabei einen Läufer mit Hund, der uns auf unserer Strecke folgt - er läuft in einer anderen Liga mit wesentlich höherem Tempo. Am Rastplatz stößt er zu uns, er ist vielleicht 20 Jahre alt und war (vor rund zwei Stunden) oberhalb des Estany Negre noch in der Gegenrichtung unterwegs. Er fragt uns, ob alles in Ordnung sei und bietet uns auch sofort etwas Zuckerhaltiges aus seinem Rucksack an. Wir lehnen dankend ab. Auch wenn wir aussehen wie ein Häuflein Elend, fühlen wir uns noch richtig gut. Kein Vergleich zum Vortag, als bei mir die Säge richtig klemmte. Wir kommen weiter ins Gespräch und er zeigt uns am Firmament unseren weiteren Streckenverlauf. Er kennt sich aus, schließlich kontrolliert er die Markierung der "Unterdistanzen", welche hier von den vielen Pferden meist "entfernt" wurde.
Am Cap de l'Ovella (2.541 m) kann er aber auch nichts ausrichten. Den markierten Weg versperren dort zwei Dutzend Pferde, die auch nicht gewillt sind, die Bahn (für ihn oder uns) zu räumen. Wir versuchen nun, ihm bergab zu folgen. Naja, richtig versuchen tun wir es nicht, aber wir müssen ja in seine Richtung. Er ist in den ausgespülten Rinnen richtig gut unterwegs und wir traben nur vorsichtig hinterher.
Am Parkplatz des Straßenpaßes Port de Cabús (2.302 m) angekommen, ist er dort schon längst wieder mit Leuten ins Gespräch gekommen. Wir haben ebenfalls Gesprächspartner - drei Franzosen erklären uns die weitere Bergfahrt, welche sich vor uns erstreckt, mit dem "Ziel" Coll de la Botella zur Linken. Dies sei alles in zwei Stunden machbar, erklären sie lächelnd. Während Ute daraufhin starke Zweifel anmeldet, sehe ich dies als Motivation, zumal es sich von Südwesten her immer mehr am Himmel verdunkelt. Kommt jetzt etwa der (im Briefing angekündigte) Sturm mit Regen? Es wäre für uns nicht so günstig.
Der Weg zu den nächsten beiden Bergen Pic de Seturia (2.517 m) und Pic dels Llacs (2.692 m) ist wirklich leicht und läßt ein schnelles Vorankommen zu. Vom letztgenannten Gipfel, der auch Pic de la Bassera genannt wird, geht es allerdings weglos ins Tal, daher beobachte ich mal wieder die Interpretationen der Wegsuche unserer Vorderleute. Vier Duos befinden sich während unseres Anstiegs, nur ein paar hundert Meter in Sichtweite von uns entfernt, bereits im Abstieg. Ich präge mir dabei markante Punkte von deren Streckenwahl für unseren Abstieg ein. Doch diese Linie dann auch optimal umzusetzen, ist nicht einfach.
Von einer Ebene verläuft sich der Track in einer Art Kiefernschonung. Ein Großteil der Bäume steht oder liegt abgestorben am Wegesrand, davor der bedrohlich wirkende dunkle Himmel und im Nacken die tiefstehende Sonne - so ergibt sich ein herrliches Lichtspiel. Wir gelangen zu einer Kuhweide, wo sich die Wegfindung nicht einfach gestaltet. Die grobe Richtung ist allerdings klar. Wir müssen zu den Häusern von Seturia (1.865 m), von wo der direkte Weg auf einer Skipiste zum Coll de la Botella (2.047 m) führt. Wir sind wieder auf dem GRP und dieser ist auch wieder mit den roten Wimpeln des AUTV gekennzeichnet. Wir bräuchten jetzt, bis zur Verpflegungsstation in La Margineda nur dieser Markierung zu folgen, da sich die Streckenführung mit der Ronda dels Cims gleicht. Doch diese Hilfe sollte man nicht zu Rate ziehen, da man vielleicht doch den Ausstieg aus dieser Wettkampfstrecke verpaßt. Und genau diese Änderung vermute ich bei den Liftanlagen des Skigebietes Vallnord-Pal, wo uns ein (definitiv) falsch gesetzter Streckenpunkt auf der virtuellen Karte hoch zum Planell de la Tosa schickt. Dieser Fehler wird dann relativ spät von mir bemerkt und der Rückweg zur Weggablung gestaltet sich deshalb recht "aufgeladen". Bei Ute kommt diese Emotion schon gar nicht mehr an und als ich ihr dann die beiden letzten Erhebungen des Tagesplanes auf der anderen Seite des Tales zeige, ist ihr Engagement komplett gen Null.
Die zweite Nacht beginnt, es dämmert langsam und im fernen Ordino sind die Flutlichter vom örtlichen Fußballplatz als etwas größere leuchtende Punkte im dunklen Drumherum zu erkennen. Doch das alles interessiert Ute nicht. Der Tiefpunkt scheint erreicht. Nach endlos erscheinendem leichten Bergab durch einen Wald gelangen wir auf eine Lichtung - den Collada de Montaner (2.084 m). Hier stehen alle möglichen Beschilderungen für die anderen Strecken (die teils Richtung Sispony abzweigen), auf katalanischem Gebiet steht das "Skelett" eines ehemals sehr mächtigen Baumes. Mit Absperrband ist der Grenzverlauf hier "gesichert" und daher könnte ich mich diesem Naturdenkmal nur "illegal" nähern, um es im Detail fotografieren zu können. Es ist allerdings auch die späte Tageszeit, die diesem Vorhaben den Riegel vorschiebt, schließlich wollen wir noch so viel wie möglich Wegstrecke im Hellen erledigen.
Auf dem Bergrücken konnten wir noch zwei Mannschaften ausmachen, die vielleicht mit einer Stunde Vorsprung auf uns den Grat passierten. Hinter uns kann ich seit dem Abstieg vom Comapedrosa niemanden mehr registrieren. Sind wir jetzt etwa die Letzten im Teilnehmerfeld? Der Weg zum Pic d'Enclar (2.388 m) ist anfangs auf katalanischer Seite sehr direkt und nimmt später (in Andorra) einen großen Bogen. Fast eben und nur mit einem kleinen finalen Steigung verläuft der sich anschließende Wiesenpfad zum Bony de la Pica / Pica d'Os (2.406 m). Dabei ermöglicht der Talblick die Sicht auf die flutlichtbeleuchteten Fußballplätze von Santa Coloma, dessen Futbolclub der Serienmeister der letzten Jahre ist. Vielleicht läuft dort gerade die Vorbereitung auf die folgende Europa-League-Qualifikation gegen den FK Astana aus Kasachstan? Schulterzucken bei Ute!
Es ist 21:30 Uhr, als wir auf dem Gipfel stehen. Nebenan ist im Fels ein Drei-Mann-Zelt aufgebaut - zur Zeit "unbewirtschaftet", wie ein Großteil der andorranischen Berghütten. Sicherlich ist dies für Streckenposten der Ronda dels Cims plaziert worden. Daher können wir uns auch keine Auskunft zum weiteren Streckenverlauf dort einholen, denn der nächste Wegpunkt ist wieder etwas zweideutig gesetzt und auf die Markierungen sollte man sich ja (laut Briefing) nicht verlassen. Daher nehme ich die 1:40.000er Karte von Andorra (in der ich vorsorglich die Wettkampfstrecke eingemalt hatte) zu Rate. Das Einnorden geht aufgrund des beleuchteten Fußballplatzes von Ordino recht schnell und kurz darauf ist klar: es ist der markierte Weg, der uns nun nach unten bringt.
Euphorie? Ja, so könnte man das nennen, was jetzt in uns herrscht. Vielleicht sieben oder acht Kilometer nur bergab sind nun zu erledigen! Wir werden weit vor Mitternacht den Verpflegungspunkt in La Margineda erreichen. Das baut selbst Ute wieder auf. Doch dieses Hochgefühl hält nicht lange an. Der Weg ins Tal erweist sich als äußerst schwierig. Recht steil und teilweise mit Ketten gesichert geht es talwärts. Die Markierung ist später im Dunklen Gold wert, denn durch diese kommt kein weiterer Zeitverlust durch Sucherei hinzu. Die Lichter des Gehöfts von Aixàs (1.530 m) sind schon lange sichtbar - wir nähern uns aber nur langsam diesem Zwischenziel, denn zu viele Windungen nimmt der Pfad durch den Wald. Danach geht es wieder bergauf! Das zehrt am Nervenkostüm! Erledigte Bergab-Höhenmeter werden hier wieder "gegengerechnet". Der Coll Jovell (1.588 m) bildet dann aber den Scheitelpunkt und es geht (tendenziell) wieder abwärts. Die Lichter von La Margineda sind unzählige Male schon weit unter uns zu sehen, genauso oft verschwinden diese jedoch wieder im Dunkel. Die Kurven der Streckenführung scheinen kein Ende nehmen zu wollen. Der Pfad erscheint mir auch äußerst flach, so daß wir uns auch höhenmäßig kaum unserem Ziel nähern. Letztendlich verschwinden auch noch die Streckenmarkierungen und das GPS scheint auch Nachtruhe zu haben, weil es nicht mehr funktioniert. Wir sind maximal gereizt, denn diese Odyssee findet scheinbar nie ein Ende.
Kurz vor halb eins stehen wir dann doch auf einer Straße im urbanen Gebiet. Ist es La Margineda (1.074 m)? Es muß es sein! Fast drei Stunden haben wir (nicht bummelnd) jetzt für diesen Abschnitt benötigt, bitte lass' es La Margineda sein! Ein Mann (der um diese Uhrzeit noch auf der Straße unterwegs ist) zeigt mit seiner Handbewegung die weitere Richtung an und siehe da: ein mit AUTV-Indizien kenntlich gemachtes Gebäude bildet endlich den Schlußakkord dieser Endlos-Etappe.
Die zu einem Schulkomplex gehörende Sporthalle ist nun unser zweiter Verpflegungsposten. In den Unterlagen als Kilometer 88 oder (das klingt jetzt besser für uns) als Kilometer 94 definiert. Es ist definitiv geräumiger als in Arcalís, weil wir wirklich am Ende des Feldes rangieren. Bis zum Zeitlimit haben wir fünfeinhalb Stunden Zeit, deshalb wollen wir spätestens um 3 Uhr wieder in die Spur gehen. Essen, Duschen, Schlafen - so der Plan. Das Nahrungsangebot ist das gleiche, wie in Arcalís. Nur stehen die Getränke regelrecht abgezählt bereit und warmes Essen gibt es nicht. Man arrangiert sich jedoch mit diesem Zustand. Frisch geduscht und frisch (an den Füßen) getaped, versuchen wir uns im Kurzzeitschlaf. Fehlanzeige bei Ute im Schlafsaal - Geschnarche, viele unnütze Begleitgeräusche und zu harte Liege. Dagegen nicke ich, im Durchzug von Eingangstür und Saal sitzend, ab und zu mal weg. Klar zieht es kalt zur Pforte 'rein und Nebengeräusche gibt es auch en masse. Doch wenn man schlafen will/muß, gönnt sich das der Körper auch!
Aus 3 Uhr wird letztendlich 3:45 Uhr, denn unser Zeitmanagement ist einfach zu langatmig. So starten wir mit zweieinviertel Stunden Vorsprung auf das Zeitlimit in den dritten Tag. Ein Weg schlängelt sich nahe der Schule durch Bäume in den unteren Teil des Ortes. Entlang der Transitstraße laufend, welche nach Spanien führt, nehmen wir einen unscheinbaren Abzweig zum Fluß la Valira. Nun bringt uns ein Wanderweg auf der anderen Flußseite wieder zurück. Dabei erreichen wir den tiefsten Punkt der Strecke - die im 14. Jahrhundert erbaute Bogenbrücke Pont de la Margineda. Sie ist mit 948 Metern Seehöhe knapp 2.000 Meter niedriger, als der von uns am Vortag angelaufene höchste Punkt der Runde - der 2.943 Meter hohe Comapedrosa. Man gönnt uns danach noch rund einen Kilometer flaches Geläuf, ehe es entlang der Costa Seda steil nach oben geht. Vorbei an den Steinhütten von Cortals de Manyat (1.650 m) gelangen wir zum Collada de la Caülla (2.147 m). Bei Ute ist heute der Stecker schon frühzeitig gezogen, daher dränge ich auf eine kurze Schlafpause, wie sie auch andere Mannschaften im Gras des Wegesrandes abhalten. Die Feuchte des Morgentaus lädt zu dieser Variante jedoch nicht unbedingt ein und so sind wir weiter auf der Suche.
An der Refugi de Prat Primer (2.240 m) muß dann die dringend notwendige Zwangspause abgehalten werden. Sie ist eine der vielen Selbstversorgerhütten in Andorra und mit drei eisernen Doppelstockbetten ausgestattet. Ute findet Platz in der oberen Etage und hat aber auf dem harten Gitterrost keine Chance einzuschlafen. Währenddessen kümmere ich mich vor der Hütte um das Auffüllen unserer Flaschen und studiere den weiteren Streckenverlauf auf der Karte. Es ist kalt, denn die Hütte liegt noch im Schatten, der sie umgebenden Berge. Ute bricht ihren Schlafversuch ab. Wir essen (frierend in unsere Regenbekleidung gehüllt) noch eine Kleinigkeit und amüsieren uns über den Wegweiser, der den Talweg nach Andorra la Vella minutengenau mit 2:52 Stunden angibt.
Am Collada de Prat Primer (2.493 m) ist der Schattenbereich verlassen. Stahlblauer Himmel und extrem weite Sicht machen Lust auf mehr. Mit Schwung nehmen wir den nächsten Talabschnitt unterhalb des Camp de Claror hinauf zum Port Negre (2.605 m). Dabei kommt uns auf dem engen Pfad ein Motorradfahrer entgegen. Parallel dazu durchkämmt ein weiterer Fahrer das Tal linkerhand. Beide steuern mit ihren Maschinen in Richtung Refugi de Claror - vielleicht sind es ja die Hüttenwirte?
Ein Stichweg nimmt am Bergpaß zuerst Kurs auf den Pic Negre de Claror (2.645 m), ehe es zur anderen Seite auf den Pic Negre d'Urgell (2.693 m) geht. Wir befinden uns nun auf der Grenze zur katalanischen Comarca (Landkreis) Alt-Urgell. Davon zeugen aber nur ein paar vereinzelt aufgestellte Grenzsteine entlang des folgenden Höhenzuges.
Mit der Zeit wird unser Vorankommen immer zäher. Zwei Franzosen-Paare lassen wir daher passieren und suchen uns zwei große Steinplatten im kargen Gelände. Wir einigen uns auf eine halbe Stunde Schlaf in der Sonne und nicken wirklich weg. Wie lange, wissen wir nicht, obwohl wir vorher auf die Uhr geschaut hatten.
Der Scheitelpunkt der Serra d'Airosa, der Moturull oder Torre dels Soldats (2.759 m) ist leicht zu bezwingen, dessen Abstieg zum Coll de Claror / Clots de la Tora (2.569 m) gestaltet sich hingegen schwieriger. Eine sanfte Felskletterei, vielleicht 'ne 0,75 auf der UIAA-Skala, bringt uns in diese Felskerbe.
Der weiterführende Pfad zum Pic de Perafita / Tossal de la Truita (2.754 m) weicht den Felshindernissen des Anstieges gekonnt aus. Das Plateau mit Gipfelstange ist der Endpunkt des Serra-Mitjana-Höhenzuges, welcher gen Baixa Cerdanya im Süden steil ausläuft. Mit uns sind rund zwanzig Jugendliche auf dem Gipfel, der Rest ihrer Truppe wartet unten am Port de Perafita / Collet de Sant Vincenç (2.573 m). Dort kommt aus Katalonien der GR 11.10 vom Tal nach oben, welchen wir in nördlicher Richtung weiterlaufen.
Diese Variante des Weitwanderweges ist anfangs noch recht eindeutig in die Landschaft gezeichnet, verläuft sich später aber des öfteren in nassen Wiesen, endet an Felsen oder vor Büschen. Diese Wegfragmente führen uns (mit einiger Sucherei) zum Refugi de Perafita (2.200 m). Dort biegt der Kurs auf den GRP und hat wieder eine klarere Wegführung zu verzeichnen. Zudem ist dieser Abschnitt wieder mit den roten Wimpeln des Ultratrail markiert.
Die Sonne macht uns während des Anstieges zum Collada de la Maïana (2.426 m) ganz schön zu schaffen. Am Paß gibt es daher die nächste Pause. Hier ist es wunderschön und man könnte den Tag an diesem Platz ausklingen lassen. Sicherlich stören die verhältnismäßig vielen Fliegen (Warum gehörte eine Fliegenklatsche nicht zur Pflichtausrüstung?), doch die Landschaft ist einmalig. Dieses Gebiet gehört zum über 4.000 Hektar großen Gletschertal Vall de Madriu-Perafita-Claror und ist Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Doch wir müssen weiter - der Wohlfühlfaktor, der in den Bergen primär sein sollte, kommt bei dieser Art Wettkampf definitiv zu kurz!
Der Pfad windet sich nun mit einem Rinnsal ins Tal hinab. Wir sind verhältnismäßig schnell unterwegs, denn es gilt, die Pausenzeit wieder zu egalisieren. Zu den lästigen Fliegen haben sich längst (stechende) Bremsen gesellt und der persönliche Abwehrkampf gestaltet sich nun immer intensiver. Wir verlassen den Wald und biegen auf eine Weide. Ich laufe und kämpfe dabei wild fuchtelnd gegen die aufdringlichen Insekten - auf einmal fährt es mir in den rechten Fuß. Klassisch umgeknickt, in einer kleinen Bodenunebenheit! Meine Stöcke nehmen daraufhin einen hohen Bogen über die Wiese und mir stehen sofort die Tränen in den Augen - vor Schmerz oder weil es das Ende unserer Tour gewesen sein kann?
Es geht jedoch weiter. An der Cabane de l'Estall Serrer (2.072 m), einer rund hundertjährigen Steinbaracke, lenke ich mich/uns mit der Frage ab, was wohl das viele Salz auf einem Stein zu bedeuten hat. Wichtiger wäre mir, zu wissen, was mit meinem Knöchel los ist. Es sticht und ich würde ihn gern (gleich mit Schuh) in einen der vielen Bergbäche halten.
Von Estall Serrer bis zum Refgi de Riu dels Orris (2.230 m) nehmen wir den Abschnitt des GR 11, der uns am Sonntag in entgegengesezter Richtung zum Ziel bringen soll. In einer Steigung nach der Cabana dels Estanys (2.435 m) zur Linken und dem Estany de la Bova (2.416 m) zur Rechten nimmt das Stechen im Knöchel wieder zu. Ich werfe daraufhin einen Blick unter meine Stulpe und bemerke eine größere Beule am Fuß. Wir laufen noch bis zu einer Stelle, an der der Riu Madriu in Wegesnähe ist. Dort bekommt der Patient dann endlich seine Kühlung im kalten Bachwasser.
Die Stimmung ist angespannt, keiner von uns will aussprechen, was jetzt vernünftig wäre. Die Schwellung am Fuß geht natürlich nicht zurück und vor uns liegt (fast schon mahnend) der letzte 2.900er unserer Reise - der Pic de la Portelleta (2.905 m). Natürlich haben wir dessen Grat besonders im Blick und wissen genau, ein weiteres Umknicken auf dem Gipfelgrat (oder später im unwegsamen Gelände) kann richtig heikel werden. Man vertritt sich ja fast zwangsläufig im Geröll mal die Füße, doch wenn die Bänder schon leicht "vorgeschädigt" sind, kann das dann 'ne größere Verletzung werden. Dann kann ich mich vielleicht mit dem Hubschrauber abholen lassen, eine entsprechende Versicherung dafür hätte ich nichtmal in der Hinterhand. Daher wird der in Aussicht stehende finanziell hochdotierte Rundflug hintenangestellt und eine Entscheidung getroffen: Wir beenden die Eufòria!
Nach 56:19 Stunden Wettkampfzeit meldet Ute unsere Mannschaft (15:19 Uhr) bei der Wettkampfleitung telefonisch ab. Die Verbindung ist (wie überall in den Bergen) schlecht und bricht ab. Folgende Versuche, den Dialog zur weiteren Vorgehensweise bereden zu können, scheitern. Doch das Wesentliche ist ja durchgestellt. Mit einem Male fällt alle Last, der Zeitdruck und die Zweifel von uns ab. Rund vier Stunden Fußmarsch bis in die Zivilisation stehen allerdings noch bevor. Gegen 15:30 Uhr brechen wir auf und nehmen den Weg bis Escaldes, der für den Finaltag der Eufòria vorgesehen ist.
Nachdem uns mindestens noch zwei Mannschaften an unserem Wendepunkt überholt haben, treffen wir auf unserem Rückweg auf die wahrscheinlich Letzten im Feld: zwei Franzosen und ein Portugiese, der sich nach Ausscheiden seiner Partnerin (mit Genehmigung der WK-Leitung) den beiden angeschlossen hat. Wir unterhalten uns kurz über den Grund unseres Abbruchs und über die Varianten des "Heimkommens". Unser eingeschlagener Weg scheint aber auch ihnen der effektivste zu sein und so verabschieden wir uns mit den besten Wünschen für die jeweils andere Partei.
Kurz darauf kreist tatsächlich ein Helikopter im Tiefflug über unserem Aufenthaltsort. Aufgrund des Waldes, in dem wir uns befinden, ist er nur zu hören. Mir ist auf einmal ganz anders. Ist er etwa wegen mir da? Ute hatte im kurzen Gespräch mit der Organisation erwähnt, daß wir wegen einer Fußverletzung ausscheiden. Da schicken die gleichmal ungesehen einen Hubschrauber? Wir sollten uns auch an der Refugi de l'Illa (2.488 m), die nur ein paar Minuten von unserem Scheitern entfernt lag, etwas zu Essen geben lassen. Diese Formulierung kam uns schon spanisch vor! Um die Zeit bis zur bevorstehenden Luftbrücke zu überbrücken? Durch die Baumwipfel versuchen wir, den Helikopter zu beobachten, der mehrfach den Bereich anfliegt - es ist glücklicherweise ein Transport- und kein Rettungshubschrauber. Das "große Portemonnaie" kann also in der Tasche bleiben.
Entlang des Riu Madriu verlassen wir ab und zu den Wald. Auf einer Lichtung passieren wir die moderne Steinhütte Refugi di Fontverd (1.875 m). Weiter talwärts treffen wir dann auf die, bis in die 1950er Jahre bewohnten Siedlungen Ramió (1.620 m) und Entremesaigües (1.470 m) mit ihren durch Steinmauern terrassenförmig angelegten Weideflächen. Der Weg ist dort eng und mit großen Flußsteinen gepflastert. Das wacklige Laufen darauf ist Gift für meinen Knöchel. In der Hitze des Nachmittages kommen nun auch die Halluzinationen: abgestellte Wohnwagen sind in Wirklichkeit Felsbrocken, Tennisplätze säumen selbstredend den Weg und Ute vermutet in den verlassenen Gehöften zumindest eine Bushaltestelle. Doch da muß ich sie leider enttäuschen und rede ihr eine bestehende Bahnverbindung zu den abgelegenen Häusern ein. Aus diesem Grund würde nicht noch zusätzlich ein Bus verkehren. Das kauft sie mir dann auch ab, vielleicht aber auch nur, weil auf diesem holprigen Weg definitiv keinerlei Fahrzeuge verkehren können.
In Escaldes (1.050 m) laufen wir quer durch die Stadt. In einem Lebensmittelladen holen wir uns zwei Büchsen Radler und stoßen auf diesen verkorksten Tag an. Wenig später sitzen wir im Bus von Andorra la Vella nach La Massana, wo die langen Öffnungszeiten der Läden sogar noch einen Einkaufsbummel ermöglichen. Der Fußweg hoch nach L'Aldosa wird unnütz mit Umwegen verlängert. Ja, der Kopf will nun auch nicht mehr und wie zwei Untote schlurfen wir zu unserer Ferienwohnung im zweiten Stock. Der Tag hat uns ganz schön zugesetzt. Wo wären wir wohl jetzt, wenn wir zum Pic de Portelleta weitergetrottet wären? Wären wir überhaupt noch dabei? In was für einen Zustand wären wir jetzt?
Alle zu diesem Thema aufkommenden Fragen werden mit einem "es ist schon besser so, wie wir entschieden haben" beantwortet. Nicht, weil wir uns ein schlechtes Gewissen vom Hals reden wollen, sondern weil es die Realität ist. Es war die vernünftigste Entscheidung. Währenddessen sitze ich auf dem Wannenrand und kühle meine Füße im eiskalten Wasser - die Schwellung bleibt jedoch, ist durch unseren Drei-Stunden-Marsch aber auch nicht größer geworden.
Die entzündungshemmende Funktion von Tomate und Zwiebel gibt es abends in Form von einem Kilogramm Tomaten- oder besser gesagt Zwiebel-mit-Tomaten-Salat verabreicht. Ob Pizza ebenfalls entzündungshemmend ist, ist mir nicht bekannt. Sie dient jedenfalls als Hauptspeise und sorgt für ein ordentliches Sättigungsgefühl.
Es fällt schwer, sich den Zieleinlauf der anderen ansehen zu müssen. Wir tuen es trotzdem. Letztendlich genießen wir sogar dieses Flair und freuen uns mit den anderen. Ob wir es (auch ohne "dicken Knöchel") geschafft hätten, steht in den Sternen. Ob wir nochmal die Eufòria in Angriff nehmen? Ausgeschlossen! Vielleicht die Ronda? Doch das ist alles erstmal so weit weg.
"Jo no deixo rastre!" (Ich hinterlasse keine Spuren!) heißt einer der Leitsätze des Andorra Ultra Trail Vallnord. Diese Veranstaltung hat jedoch (tiefe) Spuren bei uns hinterlassen. An erster Stelle steht dabei dieses Scheitern. Auch wenn ich keinen Groll deswegen hege, hat sich diese Schmach doch tief ins Selbstbewußtsein gefressen. Diesmal hat die Psyche nicht mitgespielt, die uns sonst zum Weitermachen antrieb. Der Zwischenfall mit dem dicken Knöchel war dabei nur ein intensiverer Wink mit dem Zaunsfeld, diesen Spuk zu beenden, denn zu viele Zweifel am Gelingen setzten uns immer mehr unter Druck. Auf der anderen Seite möchte ich (im Nachhinein) keinen Augenblick dieses Abenteuers missen: zu impossant waren die Aussichten von den Höhenlagen, zu malerisch die Sonnenauf- und untergänge und zu emotional unsere "Eufòria", die zwischen Bedenken und Begeisterung, Pessimismus und Enthusiasmus, Qual und Vergnügen so viele unterschiedliche Facetten bereithielt.
Auch wenn wir das Land nicht ganz "Länge mal Breite mal Höhe" durchstreiften, haben wir doch einen Großteil dessen zu Gesicht bekommen: beide Naturparks durchliefen wir, auf 21 Bergen und 26 Gebirgspäßen standen wir, unzählige Seen und Hütten säumten unseren Weg. Gefühlt hatten wir zudem Kontakt zu jeder im Fürstentum ansässigen Fliege, jedoch die beim Briefing genannte Aspis-Viper (Vipera aspis zinnikeri) bekamen wir nicht zu Gesicht. Das soll aber jetzt nicht den Leistungsumfang unserer Exkursion mindern, schließlich haben selbst Einheimische dieses Reptil noch nie in ihrem Leben gesehen. Das werbeträchtige "visitandorra" können wir somit für uns gelten lassen.