31.03.2024 - 8:25 Uhr / 161 km / 1.330 Hm+ / 1.330 Hm- (Saisonauftakt)
Der Ostersonntag ist traditionell dem Osterreiten gewidmet - dies geschieht zwar hauptsächlich im katholischen Teil der Lausitz und hat in Westsachsen keinerlei Lobby. Dort fokusiert man sich an diesem Tage auf das Derby in der viertklassigen Regionalliga zwischen den Feierabend-Fußballern aus Chemnitz und Zwickau. Doch diese ganze Aufregung ums Westsachsenderby ist nichts fürs altersschwache Nervenkostüm am Feiertag. Deshalb wird sich (kurzfristig) dem "Osterausritt" von unserem verläßlichen Radtourenplaner Tilo angeschlossen. Unsere Prozession wird uns zum Kloster Buch bei Leisnig führen - natürlich unterbrochen von rituellen Radfahrerpausen, bei denen das Ende der Fastenzeit mit "flüssiger Mast" ausgelebt wird.
Ach war die Winterpause lang - der letzte Ritt datiert vom Erntedankfest am 24.09.2023, als ein 151-er zum Hainer See auf dem Tourenplan stand. Weder Gaul noch Reiter hatten seit dem Kontakt miteinander. Mal sehen, ob diese stillgelegte Seelenverwandtschaft bei einem anstehenden Hundertmeiler wieder in geordnete Bahnen justiert werden kann. Zum Glück hat wenigstens ein weiterer Mitstreiter unseres Ausflugs ähnliche Probleme, nämlich Übergewicht. So wurde es zumindest angekündigt, um eine geringere Reisegeschwindigkeit (als üblich) zu erzwingen. Doch wie eh und je grassiert selbst unter Sportfreunden nun mal die Lüge (oder eben die Fehleinschätzung), denn ungewöhnlich "voluminös" sind nur die Taschen derer, die sich diese (mit Radfahrerlatein) haben füllen lassen.
Westsachsenderby Chemnitz gegen Zwickau in der 4. Liga mit einem Zuschauer weniger (Foto: Tilo Kozlik)
Natürlich geht es morgens nicht pünktlich los. Das ist Tradition und setzt erstes Adrenalin frei. Aber Hand aufs Herz: Würde man sich wirklich in den angesammelten Garagen-Winterstaub des Fahrradsattels setzen wollen? Nimmt man den Jahresauftakt nur mit halbgefüllten Pneus in Angriff? Und zu einer ordnungsgemäß durchgeführten Abfahrtskontrolle gehört nun mal auch die Überprüfung der lichttechnischen Anlage. Doch die paar Minuten sind (dank des Adrenalinschubs) schnell bis zum ersten Treffpunkt wieder herausgefahren und so sind es nur zwei Minuten, die Reiseveranstalter Tilo am Chemnitzer Nordpark auf uns warten muß. Er kennt diese Situation jedoch schon zur Genüge und motzt deshalb auch nicht 'rum.
Kloster Buch - Radfahrer absteigen, Hunde an die Leine und "zur Kreuzigung jeder nur ein Kreuz" (Monty Python)
Das Tempo wird nun deutlich angenehmer. In Wittgensdorf ergänzt Siggi unseren (Drahtesel-)Reitertrupp, den Olaf in Auerswalde komplettiert. Nur als Quintett ziehen wir heute durchs Land, da die anderen Immer-mit-dabei-Radfahrer höchstwahrscheinlich noch beim traditionellen Eiersuchen (Wie kindisch!?) oder bei der flüssigen Vorbereitung zu besagtem Westsachsenderby (Prost!) sind. Egal, auch mit fünf Leuten kann man ein gewaltiges Verkehrshindernis erzeugen. Doch noch ist es nicht so weit, da durch die nächtliche Zeitumstellung der Jetlag den motorisierten Osterausflüglern noch mächtig zuzusetzen scheint - wir sind quasi allein auf den Dorf- und Landstraßen unterwegs.
Das klösterliche Brauhaus - ohne jegliche hygienische Standards (Foto: Tilo Kozlik)
Es wird nun eine große Runde um Rochlitz auf die Landkarte gezogen. Im nördlichen Teil grenzen die Freiberger und die Zwickauer Mulde (kurz vor ihrem Zusammenfluß) diesen Kreis grob ein. Die erste Rast findet dabei logischerweise am Kloster Buch in Klosterbuch statt. Ein paar Gebäudeteile(-reste) sind dort frei zugänglich - für die komplett erhaltene Bausubstanz verlangt man Eintritt. Doch unser schmales Prozessionsbudget kann dafür keine Ausnahmereglung finden. Wir lassen uns deshalb in der gegenüberliegenden Schankwirtschaft nieder und verjubeln dort das eben gesparte Eintrittsgeld. Das dort angebotene Honigbier ist leider aus (also "ausgetrunken") und so muß stinknormales Industriebier das rituelle Rasten ermöglichen. Vielleicht stammte diese Hopfen-Honig-Mischung auch aus dem klostereigenen Brauhaus (von 1539), welches einen desolaten hygienischen Eindruck (bestehend nur noch aus Mauerresten!) beim Betrachter hinterläßt und folgerichtig von der Lebensmittelüberwachung geschlossen wurde.
Der Gasthof "Zum schwarzen Bär" in Wiesenthal steht seit acht Jahren auf der "Abrißliste" Leisnigs
Gut gestärkt tingeln wir weiter an der Freiberger Mulde entlang. Dabei wird der sich anbahnende Bergsprint zur Burg Mildenstein abrupt vom Reiseleiter in seiner Entstehung ausgebremst und der Talweg um den Hügel (zur Abkühlung der erhitzten Gemüter) der Reisetruppe aufgezwungen. Ja, zum Lachen ist da niemand zumute, wenn Tilo diktatorisch den Taktstock schwingt. Diese Situation verschärft sich wenig später noch, als der Rastplatz Wasserschloß Podelwitz Tilos Rotstift zum Opfer fällt, weil dort gerade eine übermäßig gut besuchte Osterveranstaltung stattfindet. Lange Wartezeiten an den Bier- oder Freßständen hätten den geschundenen (?) Beinen die nötige Regeneration verschafft - das muß ein Radtouren-Verantwortlicher erkennen, zumal hier übergewichtige und untertrainierte Probanden am Limit agieren.
Grün, so grün, sind alle meine Felder - "grüner" Strom muß nicht immer im Einklang mit dem vorhandenen Grün sein!
Vielleicht kommt ihm diese Sichtweise auf den (durch dieses Handeln zum Scheitern verurteilten) Tagesablauf etwas später reuevoll ins Gedächtnis. Ein Abstecher zur Leithenmühle in Brösen soll nun wieder geraderücken, was eben noch in einem Meutern zu eskalieren drohte. Etwas abgelegen vom Schuß und trotzdem ohne Reservierung keine Sitzgelegenheit im Angebot - das wäre hier Usus, aber man kann ja sein Getränk auch im Stehen einnehmen. "Mühlensteiner Premium-Bier" nennt sich das Hausgetränk und überzeugt uns auch ohne Sitzplatz. Der Wiedereinstieg in die "Runde um Rochlitz" ist kurz und knackig. So kurz und knackig, daß keiner der Anwesenden einen Versuch im Sattel sitzend unternimmt und lieber sein Gefährt schiebt. Halt, soeben erreicht mich die Nachricht, daß es doch einer der Teilnehmer gewagt und auch geschafft hat, diesen Scharfrichter pedalierend zu bezwingen. Hut ab! Siggi war es nicht, da er hinter mir den Stich schiebend in Angriff nahm. Ute, Tilo und Olaf mußten auch neben ihren störrischen Böcken den Hang erklimmen. Vielleicht meldet sich der bescheidene unbekannte Held - ein kollektives Schulterklopfen (im Nachgang) sollte die angemessene Belohnung sein.
Bachstadion Elsdorf, Spielstätte des FSV Elsdorf - ein Muß für Groundhopper!
Die Strecke wird nun welliger. Die Königsbergwertung steht an. Die Favoriten, ganz klar: Olaf und Siggi. Der Sieger, eher unerwartet aber mit Trainingsfleiß völlig verdient erarbeitet: Tilo. Am "Brenner" (259,19 m üNN) zwischen Ossa und Wenigossa ist eben Taktik gefragt und so manch' ungestümes Losradeln der sportliche Genickbruch. "Gut Ding will Weile haben" und so agiert der neue (?) Bergwertungsspezialist. Konstant tretend, nach dem Motto "Schritt für Schritt, mein Rad kommt mit" wird diese Kuppe von Tilo bezwungen. Akribisch scheint er sich auf diesen Erfolg vorbereitet zu haben und erntet nun die Früchte dieser kräftezehrenden Vorbereitung (und Umsetzung des Erlernten). Der Autor dieser Zeilen holt immerhin Platz 5 - auch das sollte in den Annalen Erwähnung finden.
Vorfreude auf Bier und Honig, serviert von Gastgeber Olaf (nicht im Bild)
Nach diesem Achtungserfolg sieht Tilos Marschroute keine Pause mehr vor. Er will nur noch heim, in seinem Wohngebiet ist sicherlich eine große Willkommensparty anberaumt, die er ausgiebig genießen will. Doch diesen Personenkult nicken seine leicht (?) frustrierten (?) Mitstreiter nun mal nicht ab. In Elsdorf erzwingen sich die Verlierer der Bergwertung eine letzte Verschnaufpause vor den Toren Chemnitz'. Dabei gibt es Bier (für den Sofortverzehr) und Honig (zur Mitnahme im Rucksack). "Elsdorfer Rückflug-Honig" nennt sich das nicht sortenreine Gemisch, welches Olaf mit seinen schwarz-gelben Freunden da zusammengerührt hat.
Wieder zurück in Chemnitz! (Foto: Tilo Kozlik)
Unser Rückflug zieht sich noch ein wenig, während Olaf schon die Beine hochlegen kann. Ein letzter Anstieg von Lunzenau nach Cossen folgt. Auf der anderen Seite geht es im Schatten des Chemnitzbergs (421 m üNN) hinab ins Chemnitztal. Längst hat sich auch der 2:0-Sieg der östlichen Westsachsen gegen die westlichen Westsachsen (vor immerhin 10.301 Zuschauern) herumgesprochen und am nächsten Tag werden wieder Hunderte, wenn nicht sogar Tausende zu jenem Chemnitzberg pilgern und ihren Wiesensporthelden huldigen. Nur Siggi, als Verehrer der unterlegenen Trabantwerker, wird sich wohl dieser Prozession enthalten. Schön, daß er wenigstens heute dabei war. Sein Ausscheiden in Markersdorf hat allerdings dann keinerlei Fußballbezug und ist einzig seiner Wohnortnähe geschuldet. Am Schönherrpark dünnt sich unsere Reisegruppe erneut um eine Person aus - Multitalent (Reiseorganisator + Bergwertungsgewinner) Tilo biegt vom Kurs. Viel Spaß bei deinem Wohngebietsfest und wenn es wieder mal so klappt, wir sind dabei!