02.07.2023 / 5:00 Uhr / 56,2 km / 1.595 Hm+ / 700 Hm- / Wanderung
Der Fichtelberg, einst höchster Berg der DDR, nun nur noch der des Freistaates Sachsen, war schon immer ein beliebtes Ziel von Wanderern. Auch der Startort Chemnitz ist für diese tagfüllende Aufgabe nicht zu ungewöhnlich, schließlich haben schon Tausende im Rahmen des 64 Kilometer langen Fichtelbergmarsches diese "Aufgabe" gelöst. Wir wollen nun auch in deren (große) Fußstapfen treten und wenigstens auf abgespeckter (geradlinigerer) Wegstrecke diesen Gipfelerfolg für uns verbuchen. Diese Direttissima veranschlagen wir mit nur maximal 55 Kilometern, schließlich muß die Rückkehr nach Chemnitz auch mittels Bus/Bahn abgesichert sein und da kann man nicht bis in die Abendstunden im Gelände 'rumturnen.
Bereits 5 Uhr ist Abmarsch für Ute und mich in Altchemnitz (320 m), schließlich ist für eine halbe Stunde später der Treff mit Bruno und Martin am Aussichtspunkt Pappel veranschlagt. Deshalb wird auch der schnellste und einfachste Weg dahin von uns gewählt - Straße bis Erfenschlag, weiter über den Zwönitztalweg und den Gutsberg hoch zum Treff (450 m). Das sich die Jugend (aufgrund zweier Vereinsfeste am Vortag/Vorabend) dabei etwas verspätet, war fast zu vermuten, bei der für Sonntag doch recht frühen Terminpflicht. Für beide wird es heute die erste längere Wanderung ihrer Vita, bei der sie mit dem verhältnismäßig unsanften Anstieg von Einsiedel kommend, schon mal einen kleinen Vorgeschmack auf das "heutige Restprogramm" genießen. Unsportlich sind beide nicht, doch wie verkraftet die (nur Fußball gewöhnte) Beinmuskulatur den heutigen Ausdauermarsch? Der flache Abschnitt nach Berbisdorf (460 m) tut jedenfalls niemanden von uns weh. Die Stimmung ist gut, denn noch ist es von oben trocken, doch dunkle Wolken künden Ungemach an.
In Eibenberg (491 m) ist es dann so weit. Gemächlich setzt die Bewässerung ein und mausert sich zu einer Art Platzregen. Die Regenjacken müssen nun schon ihre jeweiligen Wassersäulenangaben unter Beweis stellen, denn einen dauerhaften Unterstand für den Regen bieten die paar Straßenbäume der Eibenberger Allee nicht. Vorbei am Geiersberg, nehmen wir das Auental hinab nach Kemtau (405 m). Dort biegen wir auf die B180 (oder deren Fußweg) ab und verlassen diese durch Burkhardtsdorf auch nicht. Ursprünglich war die Route anders geplant: nach dem Ortseingang durch die Randsiedlung zum Enderleinweg und weiter über die Besenschenke zum Tischl. Doch bis zum Wald hätte uns ein längerer Wiesenabschnitt auch noch die bis dato relativ trockenen Füße genommen. Daher biegen wir erst nach dem Burkhardtsdorfer Bahnhof auf den Wanderweg, der uns über das Teichhaus zum Tischl (570 m) führt.
Kurz vor 8 Uhr erreichen wir diesen markanten Rastplatz im Abtwald. Die Schuhe sind mittlerweile auch innen naß aber der Regen läßt nun nach. Wo früher (also im Mittelalter) die Jäger des Chemnitzer Benediktinerklosters logierten, machen wir es uns in der im Herbst 2021 neu gestalteten Anlage unter dem hölzernen Blätterdach des Unterstandes bequem. Es gibt die erste Rucksackverpflegung nach rund 15 Kilometern Wegstrecke. Zu lang weiten wir unsere Pause jedoch nicht aus, denn der Zeitplan unserer Unternehmung ist (aufgrund des Busfahrplans für die Rückfahrt) straff gestrickt. Der Rundweg um Auerbach bringt uns in die Nähe des Greifenbachstauweihers, den wir allerdings rechts liegen lassen, weil wir die Variante über die Greifensteine (668 m) wählen. Nach rund 25 Kilometern Wegstrecke finden wir dort um 10 Uhr eine menschenleere Sehenswürdigkeit vor. Da ein Biergarten vor Ort erst Anderthalbstunde später öffnet, setzen wir unseren Weg fort. Dieser ist fortan mit einer Vielzahl von "Geyer 2,5 km"-Schildern markiert - sicherlich gab es diese Wegweiser, bei Abnahme größerer Stückzahlen, günstiger. Sparkurse sind heutzutage wichtiger denn je! Deshalb haben wir auch Verständnis für das Nicht-kürzer-werden der Distanz bis Geyer, weil wir es zudem von früheren Wanderungen oder Läufen in diesem Gebiet kennen.
Am Blitzstein (692 m), oberhalb des Geyer'schen Spaßbades, genießen wir die Fernsicht ins Gebirge und die vom nahegelegenen Sportplatz herüberwabernde musikalische Umrahmung des Frühschoppens, anläßlich "111 Jahre Fußball in Geyer". Unserem Standort liegt jedoch nichts Feierliches zu Grunde. Hier kamen am 14. Juli 1877 die Kinder Ernestine Emma Krauße und Karl Richard Einenkel durch Blitzschlag ums Leben. Sie waren mit drei anderen Kindern im Wald, um Beeren zu sammeln und konnten sich nicht mehr auf das vor ihnen liegende Feld retten.
Etwas später queren wir Geyer, an dessen südöstlichen Ende mit der Binge ein eindrucksvolles Zeugnis erzgebirgischen Bergbaus auf uns wartet. Im 14. Jahrhundert begann man dort mit dem Abbau von Zinn in teils rücksichtsloser Form gegenüber Mensch und Natur, was zwangsläufig zu zwei großen Grubeneinbrüchen (1704 und 1803) führte. Diese "Gier" legte sich infolgedessen etwas und die Binge wurde bis 1935 nur noch als Steinbruch genutzt. Seit dem steht sie unter Denkmalschutz und ermöglichte der Flora und Fauna sich ihren Lebensraum zurückzuholen. Eine Bank am oberen Wanderweg (648 m) ermöglicht einen wunderbaren Überblick auf dieses Stück Erzgebirgshistorie. Wenig später erscheint zudem am Horizont unser heutiges Ziel: der Fichtelberg. Erleichterung macht sich breit, weil es ja gar nicht mehr so weit ist. Das stimmt, der Pöhlberg bei Annaberg (auf den die Augenpaare meiner drei Begleiter gerichtet sind) ist wirklich zum Greifen nah. Doch wir wollen, man richte den Blick nach rechts, zum F-I-C-H-T-E-L-B-E-R-G, dessen Silhouette sich unfaßbar weit weg präsentiert. Die erste Euphorie ist damit verflogen, doch die Hälfte der Wegstrecke haben wir schon - das ist doch wenigstens ein kleiner Lichtblick für die langsam ermüdende Muskulatur der Jungs.
Ein paar hundert Meter talwärts passieren wir dann auch den Mittelpunkt des Erzgebirgskreises, welcher im Zuge der Kreisreform 2008 durch das Zusammenlegen der Kreise Stollberg, Mittleres Erzgebirge, Aue-Schwarzenberg und Annaberg entstand - er liegt oberhalb der Gemeinde Tannenberg (498 m) am Fernwanderweg Eisenach-Budapest.
Von Tanneberg nehmen wir den Wiesenweg parallel des noch recht träge dahinplättschernden Flüßchens Zschopau, deren Quellgebiet am Hang des Fichtelberges wir heute noch passieren werden. Nach 38 Kilometern gelangen wir so zum Schloß Schlettau (612 m) - für mich aufgrund der 700-jährigen Linde im Schloßpark interessant, für die anderen Wandergruppenteilnehmer zählt vorrangig die Versorgungsmöglichkeit mit Flüssigem. Wir lassen uns daher nieder und gönnen uns eine zweite (flüssige) Rast mit Weltenburger Dunklem oder Zitronenlimonade. Jetzt beginnt so langsam der Gipfelanstieg, das bisherige Auf und Ab wird demzufolge in ein stetiges Bergauf umschlagen und "Erholungsphasen" seltener werden.
Es geht aber noch sachte dahin. In Walthersdorf klärt der Sparrguschenwaag auf seinem Ortsrundgang den historisch Interessierten an markanten Punkten zur ehemaligen Gegebenheiten auf und sorgt so für Kurzweil, obwohl das Asphaltgelatsche im urbanen Terrain nicht so unsere Mission ist. Diese setzt sich allerdings in Crottendorf (650 m) fort und erst an dessen Ortsende wechseln wir wieder in die Natur, wenn auch nur auf breiten Forstwegen (Zschopaustraße, später Gifthüttenstraße genannt) wandernd. An der Gifthütte (einem Unterstand am Wegesrand) haben wir dann auch deutlich die 1.000-er Höhenlinie passiert (so meine Argumentation), obwohl dort nur 1.005 Meter Seehöhe angeschlagen stehen. Korinthenkackerei, doch zum Motivieren von Bedeutung! Schließlich wollen die zwei Wanderneulinge auch Fortschritte, in Zahlen ausgedrückt, sehen und dies bedeutet nun mal: nur noch rund 200 Höhenmeter. Ein Steilstück, der Abzweig zum Hirschfalz, kostet dann richtig Körner, ehe es sich an der Zschopauquellhütte (1.060 m) nochmal flach dahinzieht.
Nun wartet nur noch der Reitsteig! Es sind noch anderthalb Kilometer bis zum Ziel ausgeschildert. Die erste Hälfte zieht sich sehr steil nach oben und an der Reitsteighütte (1.094 m) hat man den Berg so gut wie bezwungen. Wo sich die verbleibenden 121 Höhenmeter auf dem relativ flachen Reststück verbergen, bleibt unbeantwortet, da sich bis dato die vertikalen Meter nur sehr mühsam auftürmten. Vielleicht ist es aber auch die Höhenluft, die ein objektives Denken nicht mehr zuläßt ;) Der Bewuchs zur Linken verdeckt nun auch noch die Gipfelplateau-Aufbauten, die man vor ein paar Jahren als Ansporn noch sehen konnte. Diesen Joker kann ich meinen Jungs daher heute nicht (mehr) präsentieren oder eben erst rund 250 Meter vor dem Ziel.
Genau 17:40 Uhr haben wir dann das Fichtelberg-Plateau erreicht (Wanderzeit brutto: 12:40 Std., Wanderzeit netto: 10:44 Std.). Es ist angenehm menschenleer, nur der Wind bläst recht ungemütlich. Der Imbiß am Fichtelberghaus schließt (demonstrativ) vor unseren Augen - kann man machen, wenn die Tageskasse schon überquillt! Ein Belohnungsgetränk wäre jetzt nicht schlecht gewesen, es geht aber auch ohne! Viel Zeit zum Verweilen haben wir nicht, denn 18:40 Uhr fährt von Oberwiesenthal der letzte Bus Richtung Chemnitz - so zumindest unsere Information aus dem Internet (Sonn- und Feiertagsspalte des Busfahrplans wurden dabei beachtet!). Doch in der Rezeption des Fichtelberghauses (wo ich mir den obligatorischen "Hüttenstempel" hole) sind da ganz andere Zahlen hinterlegt - sowohl für Oberwiesenthal als auch für unsere Zwischenstation Annaberg. Lange Rede, kurzer Sinn: wir nehmen das Angebot der freundlichen Rezeptionistin an, uns (nach ihrem Feierabend) mit ihrem Fahrzeug mit nach Annaberg zu nehmen, um eventuelle (noch nicht bekannte) Unstimmigkeiten im Fahrplan zu umgehen. Da wir in Annaberg fast zweieinhalb Stunden bis zur nächsten Busfahrt nach Chemnitz warten müßten, werden wir flink noch zum Bahnhof kutschiert: dort fährt nur fünf Minuten später ein Zug (über Flöha) in die Bezirkshauptstadt. Nach einer halben Stunde Aufenthalt im Chemnitzer Hauptbahnhof schafft uns die Erzgebirgsbahn dann heim nach Altchemnitz, bzw. Einsiedel. Geschafft! Haken dran! Wenn der erste Schmerz verflogen sein wird, werden sich Martin und Bruno hoffentlich auch gern an diese Wanderung erinnern können. Schön, daß ihr durchgehalten und nicht gemeutert habt! Ein großer Dank geht auch an die freundliche Frau von der Rezeption des Fichtelberghauses, die uns unkompliziert in unserer mißlichen Lage geholfen hat.