20.05.2023 / 4:50 Uhr / 305 km / 1.520 Hm+ / 1.520 Hm-
"Starte die beste Tour deines Lebens", so bewirbt man die Mecklenburger Seenrunde. Bei 300 Kilometern Distanz vermutet man als Normalsterblicher hinter diesem Werbeslogan eher einen schlechten Scherz als eine entspannte Radpartie. Nach der windigen und teils feuchten MSR 300 des Vorjahres (damals "die beste Radfahrt deines Lebens") versuchen Ute und ich erneut, gemeinsam mit Tilo und Siggi, aus diesem Tagesausflug das Beste herauszuholen.
Mittwochmittag setzt sich unsere MSR-Delegation Richtung Norden in Bewegung. Leider scheinen wir nicht die einzigen mit dieser Vorgabe zu sein und so kommt es, daß wir uns im nervigen Kriechgang und über abenteuerliche Umwege fast neun Stunden auf den Autobahnen und Bundesstraßen verdingen, ehe wir unser Quartier in Trollenhagen bei Neubrandenburg erreichen. Der Adrenalinspiegel ist dabei konstant hoch und wird sich auch über das eilig im Hotelzimmer eingenommene Beruhigungsgetränk nicht großartig nach unten regulieren. Was sehnen wir uns da nach streßfreien Dahinpedalieren in den kommenden Tagen - durch die Weiten der Mecklenburger Seenplatte mit ihren zahllosen sehenswerten Baumveteranen und dem dazugehörigen kulturellen Rahmenprogramm über die Eß- und Trinkgewohnheiten der Einheimischen. So eine Anreise macht definitiv urlaubsreif (um hier mal altersgerechten Pathos ins Spiel zu bringen).
Wenn du Radfahrern die Symbolik eines Schildes erklärst. / Wenn du an der Tafel Geographie-Lehrer spielst.
Die Hausaufgaben für die große Mecklenburg-Schleife sind gemacht (zumindest bei Tilo und Siggi). Nun beginnt der Feinschliff vor Ort. Es gilt, die Fahrräder an die Wegbegebenheiten (vom aalglatten Asphalt bis zum ruppigen Blockpflaster) und die klimatischen Bedingungen (vom sonnigen Urlaubsflair bis teils heftiger Seeluft) zu gewöhnen. Für den Männertag ist deshalb eine Ausfahrt von Trollenhagen zur Müritz geplant. Der dafür obligatorische Getränke-Bollerwagen bleibt jedoch im Quartier, da er für solch' lange Touren (116 Kilometer mit 655 Höhenmetern werden am Ende des Tages auf dem Tacho stehen) nicht annähernd ausgelegt ist und ein Testtag mit ihm für die MSR ohne Relevanz wäre. Dafür darf Ute mit, immerhin muß sie sich und ihr Gefährt ja auch für den Dreihunderter präparieren. Diese Ausnahmereglung für den Männertag wurde in unserer Vierergruppe lebhaft diskutiert und einstimmig beschlossen.
Müritz und Raps
Erster Anlaufpunkt ist Chemnitz, ein Ortsteil von Blankenhof. Für Chemnitzer ein verpflichtender Fotostop, auch wenn alle relevanten Fotomotive bereits im Vorjahr für die Nachwelt festgehalten worden. Wohltuenderweise gibt es in diesem Chemnitz keinerlei Anhaltspunkte für den 2025-er Kulturhauptstadt-Kult. Man scheint hier auch ohne diesen Hype zurechtzukommen. Statt Autos im Dorfteich zu versenken oder Blumentöpfe durch die Straßen zu tragen, wie es die Kulturfördertöpfe im sächsischen Chemnitz ermöglichen, lebt man hier noch ohne diesen Klamauk. Da wird noch ganz konservativ mit Plakaten für ein "Dorf- und Sportfest" geworben, welches Ende Juni auf herkömmlichen Zeitvertreib wie Volleyball, Darts, Fußball und Frühschoppen mit Preisskat zurückgreift. Da sind wir Sportinteressierte natürlich eher Feuer und Flamme und deshalb wird auch der Fußballplatz vom SV 1950 einer Stipvisite unterzogen, schließlich muß die sportliche Entwicklung von mecklenburgischen Chemnitz im Auge behalten werden. Und siehe da, man expandiert! Bauholz für die Verkleidung eines neu errichteten Sanitärcontainers wartet dort noch auf seine Verarbeitung und ein übervoller Aschenbecher am Sozialgebäude zeugt vom überdurchschnittlichen Zuschauerinteresse, obwohl man nach dem Abstieg aus der Landesklasse nur im Mittelfeld der Kreisoberliga Mecklenburger Seenplatte, Staffel II herumtümpelt.
Sportplatz Chemnitz / Schloß Bredenfelde
Szenenwechsel! Wir befinden uns wieder im aufgesattelten Zustand und nehmen Kurs Richtung Müritz. Von stark frequentierter Bundesstraße über wacklige Dorfstraßen bis hin zu Plattenweggehoppel wird es fürs Gesäß nicht langweilig - Tourenplaner Tilo überrascht wirklich jedes Mal mit seiner Fülle an Möglichkeiten. Kultur baut er dann auch noch ein und so gibt es noch einen längeren Aufenthalt am Schloß Bredenfelde, bevor es auf die Schlußkilometer zu Deutschlands größtem Binnensee geht.
Bier im Brauhaus Müritz / Eierlikör in Schwastorf-Dratow
Am Ufer des Tiefwarensees plazieren wir uns auf der Terrasse des Brauhauses Müritz. Es gibt deftige Kost und hauseigenes Bier - ein unfiltriertes "Warener Original" mit typischem Pilsgeschmack. Danach suchen wir noch die Müritz auf, zu der wir aufgrund des Menschengewimmels kaum vordringen können. Ein, zwei Fotos vom Gewässer und wir sind wieder weg! Fast am Ausgang des Müritz-Nationalparks passieren wir die rund 500-jährige Stieleiche von Federow. Dieses Naturdenkmal weist einen Stammumfang von über 6 Metern auf und ist ungefähr 16 Meter hoch. Ein paar Fotos später wird die Reise auch dort fortgesetzt. In Schwastorf steigen wir dann nochmal vom Rad und gönnen uns Kaffee mit Waffeln oder nur den selbstgemachten Eierlikör - ein Hochgenuß, für den höchstwahrscheinlich überglückliche Hühner die Eier lieferten. Nette und zuvorkommende Bedienung runden das Gesamterlebnis am (von emsigen Kindern betriebenen) Straßenstand ab. An diesem Geschäftsgebaren könnten sich die mobilen Marktbuden in Neubrandenburg orientieren, wenn sie ihre (überteuerten) Produkte an den Mann bringen wollen. Wenn zum Beispiel ein Fischbrötchen nur aus einem Fisch (Hering) und einem Brötchen besteht, gibt es gehörigen Nachholebedarf.
Bergwertungen
Für den Brückentag ist noch eine kleine Radpartie um den Tollensesee (mit Abholung der Startunterlagen) anberaumt. Wir ziehen unsere Route über Burg Stargard, dessen namensgebendes Gemäuer wir im Vorjahr schon ausgiebig erkundet hatten, und Usadel zum südlichen Ufer der Lieps im NSG Nonnenhof. Während sich dabei das Wetter weiterhin von seiner besten Seite zeigt, werden die Straßenbeläge um Alt-Rhese und das Hügelgrab bei Wustrow bis Neubrandenburg immer ungemütlicher. Viel Sand, Wald- und Wiesenwege, dazu Natursteinpflaster groß und klein lassen den Schnitt rapide sinken. Doch auch diese unschöne Trainingsform nimmt Mensch und Material die Bedenken eines Scheiterns beim bevorstehenden Dreihunderter. Bis auf Autobahnabschnitte und hochalpines Blockgelände haben wir nahezu alle übrigen Wegformen (auf 58 Kilometern mit 540 Höhenmetern) noch einmal in Erinnerung gerufen und fühlen uns so bestens in Schuß.
Weg zum Hügelgrab bei Wustrow / gemäßigter Pflasterweg am Tollensesee
Solche erlebnisreichen und die Psyche strapazierenden Tage machen natürlich Durst und so werden im Schein der Abendsonne beim Flaschenbier (aus dem leicht aufgeheizten Kofferraum) die letzten Korrekturen am eigenen Elektrolythaushalt und am stark malträtierten Gefährt vorgenommen. Hatte ich am Vorabend schon einen Reifenwechsel am Hinterrad zu verzeichnen, zieht Siggi nun nach. Spezialisiert auf Hauptuntersuchungen (Reifen, Schlauch, Luft, Kette) während großer Touren verlegt er seinen Reparaturauftrag (Materialermüdung Vorderreifen) auf die freie Zeit vor dem "Rennen". Nun kann wirklich nichts mehr schiefgehen, es sei denn, wir verschlafen. Doch auch für diese Möglichkeit wurde noch am Abend ein ausgeklügeltes Wecksystem vorgestellt, daß es nahezu unmöglich macht, unsere relativ frühe Startzeit zu verpennen.
HU am Männertag / HU am Brückentag
Im Gegensatz zur Vorwoche können Ute und ich sogar noch eine Stunde länger grunzen, da eine allgemeine Nachtruhe in unserer Unterkunft bis 3:30 Uhr vorgesehen ist. Um diese Uhrzeit saßen wir am vorigen Sonnabend schon im Bus, der uns nach Eisenach brachte, von wo aus wir ab 6 Uhr zurück nach Schmiedefeld "rannten". Heute ist die Anreise mit nur sechs Kilometern von Trollenhagen bis zum Tollensesee-Nordufer übersichtlicher. Daher läuft der Tag auch wesentlich entspannter an: 4 Uhr wird ein gemeinsames Kaffeekränzchen abgehalten, ehe es 4:27 Uhr (mit zwei Minuten Verspätung) im Sattel der heutigen zweirädrigen Hauptakteure zum Start geht. Die Reifen sind warmgefahren, die Rahmen haben sich den recht frischen Umständen angepaßt und die Pedaleure sind frohen Mutes. Jetzt muß nur noch das Herunterzählen des Starters (der dafür zusätzlich die Hilfe des Startblocks fordert) klappen!
Gute Laune überall
Es ist 4:50 Uhr und wir sind auf Tour. Die ersten drei Kilometer führen durch Neubrandenburg, bei denen das Feld zusammenbleibt. Nach der ersten Steigung Richtung Burg Stargard reißen immer mehr Lücken und jeder findet "sein" Tempo. Die ersten Gruppen mit denen wir uns arrangieren sind verhältnismäßig groß. Doch da wir alle unser knallgelbes Hemd unserer Königssee-Tour anhaben, behält man auch bei großen Menschenansammlungen gut den Überblick. Ach halt, ich habe doch nur das gelbe Leibchen sichtbar am Wanst und kann mich daher den anderen drei Mitstreitern nicht entziehen, während sie in kunterbunten Jacken in der Menge untertauchen. Erst als gegen 17 Uhr die Sonne etwas Wärme versprüht, wird die Einheitskleidung auch bei Tilo und Siggi sichtbar. Ute kann mit ihrem hellblaugrauen Königssee-Hemd von vornherein kein Leuchtpunkt im Fahrerfeld sein, sie geht uns aber auch bei größeren Abständen untereinander nicht verloren.
Mentale Vorbereitung ist alles: Tilo / Sonnige Ausblicke gebucht: Siggi
Nach 41 Kilometern wird am Ufer des Haussees von Feldberg die erste von sieben Verpflegungen (Depots genannt) angeboten. Der Andrang ist groß (obwohl viele Fahrer diese erste Station für die anvisierte pB auslassen), das Angebot ist reichlich (wie an allen Depots), die Helfer sind freundlich und manch' Radfahrer hat sich eben doch am Morgen mit dem falschen Fuß in die Pedale geklickt. Dieses Generve untereinander gehört dazu, zu viel Harmonie senkt den Adrenalinspiegel - ich verstehe sie von mal zu mal besser, diese Mamils und ihre Rituale am Futtertrog. Unser Quartett ist da ganz anders: wir haben Zeit und nutzen diese auch. Da kommt es nicht auf die Minute (Zeitersparnis beim Essen) an. Jeder Bissen wird TGL-gerecht 30-mal gekaut und mit vollem Mund wird sich nicht unterhalten - so, wie es die gute Kinderstube gelehrt hat. Zum Radfahren weigert sich ja auch niemand, den Helm aufzusetzen oder im Dunklen ohne Licht zu fahren.
Doppelzentner bei der Nahrungsaufnahme: Thomas / Elektrolyt-Expertin im Selbstversuch: Ute
Die MSR300 wird freitags um 20 Uhr mit den ersten Starts eröffnet. Bis 22 Uhr folgen in Intervallen weitere Gruppen. Am nächsten Morgen wird dieses Prozedere ab 4 Uhr fortgesetzt und bis 7 Uhr aller zehn Minuten ein Block auf die Reise geschickt. Zielschluß ist 24 Uhr und somit hätten die ersten Starter ein Zeitlimit von 28 Stunden. Doch so lange ist sicher niemand auf der Runde, auch wenn mit manch' abenteuerlichen Gefährt die 300 Kilometer angegangen werden. Neben dem Dreihunderter gibt es auch noch eine Frauenrunde, welche am Ende eine 100 auf den Tacho zaubert und ein paar kleinere Kinderwettbewerbe im Neubrandenburger Kulturpark. Rund 600 Frauen werden bei der MSR100 in diesem Jahr an den Start gehen, bei der MSR300 werden es rund 2.700 Teilnehmer sein.
Tempo raus ... nur 80 km/h! / 100 Meter zu Fuß!
Die MSR trudelt so vor sich hin, ab und zu unterbrochen durch einen Fotostop, eine Pinkelpause im ländlichen Ambiente oder eines der vielen Depots. Bei Kilometer 83 in Neustrelitz ist daher schon wieder Pause. Wie an allen Versorgungsstellen wird auch dort reichlich Essen und Trinken angeboten, dazu gibt es (bei Bedarf) Massagen von lokalen Physiotherapeuten (für die Beine!) und ortsansässige Fahrradhäuser helfen bei eventuellen Fahrraddefekten. In Schwarz (km 125) gibt es dazu ein riesiges Lagerfeuer, um sich vom frischen Fahrtwind zu wärmen und in Röbel (km 156) weist ein Volkspolizist die Teilnehmer sicher ins und aus dem Versorgungsgelände am Sportplatz. Das Physioteam der Vätternrundan aus Schweden (dem Ideengeber für die MSR) und typisch schwedische Gerichte (Blaubeersuppe, Köttbulla) halten dort schwächelnde Teilnehmer auf Trapp.
Motto des Wasalaufes in Röbel / *außer sonnabends zur MSR 300
Mit dem Verpflegungspunkt Nossentiner Hütte bei Kilometer 195 ist der Drops (grob) gelutscht. Utes anfängliche Sorgen wegen fehlendem Radtraining kann ich ihr nun mit Fakten widerlegen. Es sind ja nur noch hundert Kilometer und die sollten prinzipiell auch untrainiert möglich sein. Im Vergleich zum Zweihunderter im Spreewald ist Mecklenburg zwar herausfordernder aber auch kein Alpenklassiker. Es ist leicht hügelig und diese kleinen Wellen summieren sich über die Distanz zu rund 1.500 Höhenmetern. Auf unseren zwei Vorbereitungstouren am Donnerstag und Freitag konnte ich gleich drei sogenannte Bergwertungen und eine Bargwertung ("Barg" steht im erzgebirgischen Dialekt für "Berg" und ein Hügel im Ort Hoppenbarg zeichnete für diese Sonderwertung verantwortlich) vor Siggi für mich verbuchen. Der Ablauf war dabei immer gleich: Welle in der Landschaft ausspähen, von hinten lauern und dann in großer Übersetzung den Gegner überraschen. Solche Mätzchen würde ich mir bei der MSR natürlich nicht erlauben, schließlich hat Siggi ganz andere körperliche Voraussetzungen, um solchen Spuk gleich im Keim zu ersticken. Hier werde ich mich hüten, so sinnlos mein Pulver zu verschießen. Tritt für Tritt, mein Arsch kommt mit - nicht mehr und nicht weniger! Es soll ja "die beste Tour meines Lebens" werden, da brauche ich keine Kraftakte eines Zwanzigjährigen mimen.
Bereit für den Elchtest / "Trojanisches Pferd"
Nach 242 Kilometern ist der VP Alt Schönau erstrampelt und die Tour neigt sich langsam dem Ende. Die Sonne hat sich nun auch hinter den Wolken hervorbequemt und mit frischem Obstsalat in den Wölbungen, die das immer enger werdende Radtrikot kaum noch abdecken kann, geht es weiter. Harmonisch kurbeln wir vorbei an Hoppenbarg (ungefähr km 260), wo sich rechterhand die Bargwertung von vor zwei Tagen befindet. Genüßlich weise ich Siggi auf seine Niederlage am kaum wahrnehmbaren Hügel hinter dem Ortsschild hin, zu mehr reicht es heute nicht! Siggi würde uns hier gnadenlos stehen lassen, wenn er nur wollte. Er verschont uns aber auch mit seinem einst berüchtigten Kontrollzwang an der Bereifung und dem daraus resultierenden Luftaustausch in den Pneus. Keine Panne, keine HU, kein menschgemachter Streß - soviel Einklang ist schon fast des Guten zuviel. Zudem konnten Ute und ich unsere zwei "Tunnelfahrer" Siggi und Tilo von der Schönheit des Wegrandes überzeugen. So wurde zum Beispiel an der Kroneiche im Glienholz zwischen Röbel und Minzow ein Halt zum Fotografieren eingelegt. Ein Gigant von Baum, der im Vorjahr von beiden überhaupt nicht registriert wurde.
Getränkepunkt Chemnitz (Kilometer 295) naht / Volkspolizist mit Berliner Roller am VP Röbel
Der letzte offizielle Verpflegungspunkt in Groß Vielen (Kilometer 278) würde von uns gar nicht benötigt, schließlich ist im Magen noch gar nicht wieder so viel Platz für neuen Nachschub. Wir ankern trotzdem und gönnen uns "im gemütlichen Beisammensein" ein paar Kleinigkeiten. Es mutet schon ein wenig wie Zeit-Totschlagen an, so richtig will keiner wieder in die Spur. Schleicht sich etwa eine Portion Wehmut in die verbleibenden Kilometer? Die angeschlagenen "Noch 20 km" am Straßenrand verbreiten zudem falschen Optimismus. Vielleicht mißlingt auch aus diesem Grund unser Mannschaftsbild vor dem ominösen Schild? Wenigstens an einer mächtigen Eiche zwischen Lapitz und Gevezin verweigert der Fotoapparat einige Minuten später seine Funktion nicht.
Reichenbrander Edel-Pils - das Original aus Chemnitz (für Chemnitz)
Und dann wäre da noch Blankenhof zu erwähnen, genauer gesagt, dessen Ortsteil Chemnitz. Hier lauern am Straßenrand besonders frenetische Radsportfans und bei einer dieser Chemnitzer Fanmeilen hatten wir schon im Vorjahr Rast gemacht, uns mit Bier für die verbleibenden Kilometer gestärkt und ein Wiederkommen im Folgejahr versprochen. Nun stoppen wir also wieder bei ihnen und haben für diesen Besuch am Vortag einen Kasten Bier hinterlegt. Wir können ja nicht schon wieder schlauchen und ein Dankeschön (für deren Durchhaltevermögen an der Strecke und die Bewirtung 2022) gehört sich einfach.
Chemnitzer Radsportfans / Kroneiche Minzow
Unsere Bierauswahl fiel letztendlich auf das 4,8%-ige Reichenbrander Edel-Pils, welches nach Herstellerangaben (der ältesten Chemnitzer Brauerei, Bergt-Bräu Reichenbrand) wie folgt zusammengefasst wird: "Dieses Bier trägt seinen Namen zu Recht! Schon im Glas strahlt uns ein klares, sonniges Honiggelb entgegen und lockt mit seinem festen, weißen, feinporigen Schaum. Diesem wunderbaren Anblick entströmt ein Geruch mit feinherben Noten, die an Stroh und Wiesenblumen erinnern und von süßen Getreidearomen umspielt werden. Außerdem nehmen wir eine spritzige Frische war, die richtig Lust auf den ersten Schluck macht. Im Mund erleben wir ein spannendes Spiel aus einer anfänglich feinen Süße, der leichte Honig- und Getreidenoten folgen. Der Eindruck geht allmählich in eine noble Bittere über, die im Abgang scheinbar unendlich lange anhält. Das prickelnde Bier klingt edel und trocken aus, am Ende kommen gar die Getreidearomen sanft zurück. Ein nobles Edel-Pils, das zu Kurzgebratenem und leichten Brotzeiten, aber auch Solo ein wahrer Genuß ist!" Auch wenn wir von unseren Gastgebern noch "Kurzgebratenes" vom Grill angeboten bekommen, muß das "Original aus Chemnitz" heute mal solo in den Schlund - schließlich trocknet der Fahrtwind den Rachen aus und leichte Brotzeiten gab es heute schon reichlich.
Zielankuft, mannschaftsinterne Urkundenübergabe und die Daten zum Tag
"Noch zwei Berge" sind es laut Blankenhofer Chemnitzer Bevölkerung bis Neubrandenburg, die jedoch der Karl-Marx-Städter Chemnitzer gar nicht wahrnimmt. So unterschiedlich sind sie dann doch, die von den Ausweispapieren her gleichen Chemnitzer! Also rollen wir locker die handvoll Kilometer dem Ziel entgegen, ohne noch groß Kraft zu lassen. Die restlichen Meter am Uferstrand des Tollensesees sind Ausrollen pur, denn die Zeitmeßmatte liegt kurz vor der Promenade. Unser Quintett wird wie im Vorjahr unter dem Pseudonym "Sportgruppe Dreibackenfutterhermelin" vom Sprecher angekündigt, was uns natürlich ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Etwa das erste am heutigen Tag? Nein, schließlich war die Tagesaufgabe recht kurzweilig und wird kurz hinter dem Zielbogen noch mit einer attraktiven Medaille belohnt. Ein gemeinsames Bild vorm Plakat des MSR-Kurses (den man wegen uns dann auch nicht erkennen kann) muß noch sein. Dagegen verzichten wir auf das 0,0%-Bitburger, welches jeder Finisher erhält, weil wir ja noch heimfahren müssen.
Die zwei Seiten der (Finisher-)Medaille.
Im Quartier wird dann das Belohnungsgetränk (eine radgruppeninterne Schutzmarke von Enrico, der bei dieser MSR aus gesundheitlichen Gründen fehlt) nachgeholt: Einsiedler Zwickelbier mit 5,2% Alkoholgehalt, gebraut mit eigenem Brunnenwasser und Malz aus regionalem Anbau - Produktbeschreibung vom Einsiedler Brauhaus: "Nach behutsamen Aufschütteln erwartet Sie im Glas eine naturbelassene Spezialität mit gleichmäßiger Trübung. Feine Malznoten und der Duft von frischer Hefe vermischen sich zu einem stattlichen Bierkörpermit angenehmer Süße." Genau diesen Geschmack kennt der Körper und will ihn jetzt auch nicht missen. Füße hoch! Regeneration und Tagesauswertung bis in die Nacht im Mannschaftsbesprechungsraum der Unterkunft (Zimmer 3). Selbstverständlich prämiert uns dabei Siggi mit selbstentworfenen Urkunden, welche die "beste Tour unseres Lebens" dokumentieren. Dieses Jahr ging der Dreihunderter wesentlich lockerer von der Hand als im Vorjahr, was sicherlich auch an den idealen Wetterbedingungen lag.
Bevor wir uns ab Sonntagmittag wieder brav in die Blechlawine, diesmal Richtung Süden, einreihen, gönnen wir uns noch einen ausgiebigen Bäcker-Besuch in Neubrandenburg. Aller Ansicht nach wird es auch heute wieder etwas länger gehen (oder stehen) und da sollte man bestens vorbereitet sein. Da kann man sich keine Zwischenstops zur Nahrungsaufnahme leisten. Windschattenfahren ist angesagt - weniger wegen der ökonomischen Fahrweise, viel mehr um den Lückenschluß zum Vordermann im Stau herzustellen. So können wir das bei 490 Wochenend-Radkilometern erworbene taktische Fahrverhalten nahezu eins zu eins auf den Pkw umlegen und so "die beste Heimfahrt unseres Lebens" in Angriff nehmen. Nur eine Medaille wird es dafür im Ziel nicht geben.