14.02.2021 | 8:30 Uhr | 50,5 km | 815 Hm+ | 815 Hm- |
Meine "Rund um Chemnitz"-Unternehmungen umfassen mittlerweile einen ganzen Bauchladen voll verschiedenster Variationen. Ob nun läuferisch der herkömmliche, zehnfach absolvierte Mutter-Kind-Klassiker oder die GutsMuths-Sonderausgabe im Vorjahr, die große Laufrunde über 86 Kilometer oder die stinknormale Wanderung ... alles verhältnismäßig kräftezehrende Jugendsünden der Vergangenheit. Mit zunehmendem Alter ist dieser Tatendrang jedoch nicht mehr so ohne weiteres möglich. Daher müssen nun technische Hilfsmittel für die Umsetzung einer Chemnitz-Umrundung zur Seite stehen. Doch bevor das Fahrrad, später dann der Rollator oder gar die Öffentlichen Verkehrsmittel für dieses Unterfangen beansprucht werden dürfen, müssen es die Langlauf-Ski richten.
Für einen Ausflug auf Brettern verbleibt nicht mehr viel Zeit, denn am folgenden Wochenende soll das Thermometer bis +15°C ausschlagen und damit der Unternehmung den Boden unter den Füßen (in diesem Fall den Skiern) wegziehen. Noch liegt genug vom weißen Traum. Die Latten sind frisch mit Gleitwachs bebügelt und abgezogen, dazu steht im Keller noch etwas Glühwein für unterwegs parat und ein grober Streckenplan existiert ebenso, wie spontane Ausweichmöglichkeiten. Es muß nur noch gestartet werden!
Sonntagmorgen, 8:30 Uhr bei -13°C geht es los. Die ersten zwei Kilometer müssen Ute und ich die Skier noch tragen, da Fußwege und Straßen nahezu tadellos geräumt sind. An der 400-jährigen Eßkastanie in Reichenhain gleisen wir dann aber endlich in die Spur ein, die uns hinauf zum Schenkenberg führt. Vom über der Stadt gelegenen Feld hat man dabei schon einen groben Überblick auf das vor uns liegende Tagesgeschehen. Die Spurensuche zu Beginn ist relativ einfach, schließlich hatten wir uns vor ein paar Wochen schon einmal mit dem Ziel "Rund um Chemnitz" auf Skiern in Bewegung gesetzt. Aufgrund der damals späten Startzeit (10:45 Uhr) und der nicht ganz optimalen Wegfindung mußte dieser Wunschtraum in Hilbersdorf allerdings begraben werden und über eine (schneesichere) Innenstadt-Variante abgekürzt werden.
Heute haben wir ein angemessenes Zeitpolster und einen "Plan B" dabei. Der Weg über die Zschopauer Straße hinab nach Adelsberg bleibt, ebenso der Anstieg ins Schösserholz (an den Fundamenten der alten Skisprungschanze vorbei). Danach orientieren wir uns auf der Wiese mehr Richtung Adelsbergturm und nehmen von dort die Parallel-Loipe zur Straße, welche hinab nach Euba führt. Von der Talsperre fahren wir weiter nordwärts und gelangen nach einem großen Bogen zur Anton-Günther-Siedlung am Zeisigwald.
Anfangs mühen wir uns auf dem hügligen Gelände mit den Latten über diverse Wildwechsel durchs Unterholz. Später treffen wir auf den Hauptweg, der uns zur Dresdner Straße bringt. Aufgrund des schönen Wetters ist dieser mit Spaziergängern und Skisportlern verstopft, jedoch im verträglichen Rahmen. In den Kleingartenanlagen Wiesenquell und Reichsbahn-Wohlfahrt sind wir hingegen fast allein und ein zügiges Vorankommen scheitert im Tiefschnee der teils ungeräumten Wege. Der Schneebelag auf der Straße, welche zum Sächsischen Eisenbahnmuseum führt, ist jedoch vom sporadischen Fahrzeugverkehr zur Skating-Bahn verfestigt worden und gleicht so den entstandenen Zeitverzug entsprechend aus. Danach folgt wieder eine dieser Ski-Trageeinheiten über die Frankenberger und Huttenstraße zum Waldstück Schneller Markt.
Wir befinden uns (nach kurzer Unterbrechung) wieder auf dem Rundwanderweg um Chemnitz und nehmen über den Ebersdorfer Wald, die Kohlung und den Sechsruthenwald Kurs auf Draisdorf. Bevor wir den niedrigsten Punkt der Tour ansteuern, gönnen wir uns am Waldesrand eine erste Rast mit Glühwein, Rindfleischknacker und Aussicht. Mittlerweile ist es bei -5°C und ordentlich Sonneneinstrahlung regelrecht warm und einer Pausenverlängerung um ein zweites Getränk steht somit nichts im Wege.
Die letzte, die zehnte offizielle Chemnitz-Umrundung von 2019 unter der Federführung von Siggi und Tilo verzeichnete selbst noch im Mai Schneefall. Dieser war allerdings nur auf den Höhen des Rabensteiner Waldes am Totenstein wirklich spürbar, bis nach Draisdorf hinab schafften es damals die weißen Flocken nicht. Nun liegt jedoch selbst in den "Tallagen" so viel der weißen Pracht, daß wir die Skier am Fuß behalten können - ausgenommen zur Überquerung der B107 und am Anstieg des Heinersdorfer Bergsprints (wegen der Unübersichtlichkeit bei entgegenkommenden Fahrzeugen). Auf dem Kornweg ruscheln wir hinüber nach Wittgensdorf und können sogar große Teile am Chemnitz-Center auf den Brettern absolvieren. Danach entscheiden wir uns für den Feldabschnitt zwischen Röhrsdorf und der BAB4 bis zur Rabensteiner Straße. An den Forellenteichen des Speichers Altendorf nehmen wir auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen durchs Unterholz führenden Anstieg zum Galgenberg. Die dort vermuteten Galgen sind schon seit längerer Zeit durch Windmühlen der Neuzeit ersetzt und sicherlich auch kein (zu) ästhetischer Anblick.
Den Totenstein haben wir heute nicht auf der Agenda. Zu beschwerlich erscheint uns eine Turmbesteigung mit Skiern an den Füßen - vor allem, wenn man dies vor reichlich Publikum tut ... und dieses ist aufgrund des herrlichen Winterwetters zu Hauf im Rabensteiner Wald zu erwarten. Man erahnt es an den zugeparkten Feldwegen, je näher man diesem "Ziel" kommt. Wer mit seiner täglichen Ration Corona-Warn-Fernsehen durch ist und den Sonntagsbraten für das gute Gewissen verdauen muß, dem bleibt nun mal nur die Natur vor der Haustür. Bei einer Einengung des eigenen Bewegungsradius auf 15 Kilometer verteilt sich dann ganz Chemnitz nicht auf die vielen Gewerbegebiete oder innerstädtische Flaniermeilen (mit geschlossener Gastwirtschaft), sondern auf die Naherholungsgebiete Küchwald, Adelsberg und eben Oberrabenstein.
Auch an der Eselsbrücke (einer "Sage" zur Brückenweihe von 1897 gewidmet), ist das Spaziergängeraufkommen riesig. Hinüber zum Viadukt wird dies nicht geringer und der proppevolle Großparkplatz unterhalb des Weißen Steines (Gedenkstein Deutsch-Französischer Krieg 1870/71) zeugt vom überdimensionalen Frischluftbedürfnis der Einheimischen. Wir entfliehen diesem Trubel auf dem Wanderweg um Chemnitz Richtung Reichenbrand und werden uns etwas später auf dem Feld zwischen Kaßberg (im Stärker-Wald), Neukirchen und ehemaligem Jagdschänkenbad eine zweite Rast gönnen. Vom Fuß eines Hochspannungsmastes hat man einen guten Überblick auf die vorhandenen Loipen bis zur BAB72 am Horizont. Deshalb findet zeitgleich zum Vesper mit den letzten Trinkvorräten und Nahrungsmittelreserven die weitere Touren(um)planung statt. Die Schneehöhe im Südwesten von Chemnitz nimmt zwar wieder etwas zu und ein Permanent-Rafeln des Ackers am Brett wird deutlich weniger, dennoch sparen wir uns den vorgesehenen Bogen über Neukirchen und nehmen so die Anfahrt zur ersten Autobahnunterführung nahe Stelzendorf unter die Skier. Bei Ute ist so langsam die Kraft aus den Armen gewichen und für große Doppelstock-Schübe kein Bedarf mehr vorhanden. Daher nehmen wir diese Abkürzung, welche uns auf der Schafttreibe wieder in die Original-Chemnitz-Runde einspuren lässt.
Oberhalb der Luthereiche ist eine Loipenrunde maschinell in die Wiese gefräst. Diese bringt uns nach Markersdorf, wo wir nun die Skier wieder bis hinab zum Stadtpark tragen müssen. Dieses Schicksal wäre uns sicherlich auch nicht vorenthalten geblieben, wenn wir die Verlängerung über Neukirchen und/oder Klaffenbach Richtung Berbisdorf gewählt hätten. Als Tourenhöhepunkt sollte dort die vom Einsiedler Skiverein professionell gespurte Loipe hinüber zum Pfarrhübel als Schlußakkord herhalten - so tut es nun der mit genügend Schnee und ohne Spur versehene Wanderweg am Ufer der Chemnitz, bis zu deren Ursprungsort (Vereinigung von Zwönitz und Würschnitz in Altchemnitz).
Auf dem letzten anderthalb Kilometer nach Hause wird das Wintersport-Equipment noch einmal geschont. Es war ja heute lange genug im Einsatz. Insgesamt neun Stunden waren wir auf den Beinen - zu Fuß oder auf den Brettern. Gelohnt hat es sich allemal, da es für diese Unternehmung kein besseres Wetter hätte geben können.