18.08.2022 | 9:15 Uhr | 23 km | 1.700 Hm+ | 1.700 Hm- | von Saas Grund aus |
Das Allmagellerhorn von den Mischabelhütten und von der Hannigalp aus gesehen.
Ds Wallis, bsundrigs ds Saastal vabindet mo zwangsliöfig mit siine Viirtüsigera. Aber dases da no anderi Gipfla git, channt das schnäll in Vergässuheit. Ds Almagellerhoru, dr mächtig Barg obers Dorf Saas-Almagell, chat schich mit chum dreiji am Afang nit mit de Bärge mit e num viiri bhauptu. (Das Wallis, besonders das Saastal, verbindet man zwangsläufig mit seinen Viertausendern. Das es dort noch andere Gipfelziele gibt, gerät dabei schnell in Vergessenheit. Das Almagellerhorn, der dominierende Kegel über Saas-Almagell, fristet so ein Dasein, weil er nur mit einer Drei, statt einer Vier, beginnt.)
Das Saasertitsch ist einer der vielen regionalen Dialekte des Walliserdeutsch (Wallisertiitsch), welcher seit dem 8./9. Jahrhundert durch die Abschottung der Walliser Täler südlich des Lötschberges beheimatet ist, sich aber mit zunehmender Mobilität der Bewohner immer mehr mit anderen Oberwalliser Mundarten vermischt. Rund 80.000 Walliser sprechen heutzutage noch den alemannischen Dialekt des Walliserdeutschs und etablieren damit ihre regionale Sprachvariante (neben den vier Hauptsprachen Deutsch 63%, Französisch 23%, Italienisch 8% und Rätoromanisch 0,5%) zur heimlichen fünften Landessprache der Eidgenossenschaft.
Zum fünften Rad am Wagen ist dagegen das Almagellerhorn verdonnert, würde es doch mit seinem imposanten Aufbau in jedem anderen Gebiet den umliegenden Bergen die Schau stehlen - doch dafür steht es leider am falschen Fleck. Zwischen den Walliser Eisriesen der gegenüberliegenden Mischabelgruppe und dem Weissmies von nebenan rutscht das Almagellerhorn unweigerlich in die zweite Reihe. Ob dem dann auch so ist und der Massentourismus diesen Berg weitesgehend meidet, testen Ute und ich an einem stark eingetrübten Augusttag, an dem sich wiederum nur Enthusiasten an Aussichtsbergen vergreifen.
Es muß nicht immer Bier sein!
Wir beginnen im Saas-Grunder Ortsteil Unter dem Bodmen (Unner de Bodmen, 1.593 m) unsere Tour, nehmen den breiten Fahrweg entlang der Saaser Vispa nach Saas-Almagell (1.671 m) und biegen in Zermeiggern (Zer Meiggeru, 1.731 m) linkerhand ins Gelände ab. Auf einem Zick-Zack-Weg gewinnen wir schnell an Höhe und überqueren unterhalb der Stafel am Eingang zum Furggtälli (2.042 m) den Furggbach. Vorbei an der Grunner Furggu (2.071 m) nehmen wir einen großen Bogen hoch zum Heitbodme, wo die Bergstation des Sessellifts Heidbodme (2.345 m) auch als Ausgangspunkt dieser Tour genutzt werden könnte.
Heitbodme / Panoramaplatz
Der Andrang auf dem folgenden Steig Richtung Antronapass, mit Abzweig zum Panoramaplatz (2.650 m) hält sich in Grenzen - nur zwei (einheimische) Bergwanderer vor uns visieren ebenfalls diesen markanten Aussichtspunkt oberhalb des Saastales an. Mit ihnen fachsimpeln wir dann doch etwas zu lang über die jeweiligen Tagesziele, denn die Wolken ziehen sich nun immer mehr zusammen und der angekündigte Regen wird nicht mehr lang auf sich warten lassen. Während die beiden wieder gen Tal absteigen, nehmen Ute und ich die ersten Drahtseile des folgenden "Klettersteiges" in die Hand. Ungefähr 100 Höhenmeter des folgenden Grates sind mit Seilen und Tritten gesichert - für einen "Wanderweg" teilweise recht ausgesetzt und eine gewisse Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sollte dafür schon vorhanden sein. Ein Klettersteigset ist aber nicht zwingend erforderlich.
teilweise ausgesetzte Gratwanderung
Der Südwestgrat nimmt nun weiter rasant an Höhe zu. Der Weg ist hervorragend mit Steinmänneln und der weiß-blau-weißen Markierung vorgegeben und quert ab und zu die Felsbrocken des Grates. Über Geröllhalden und Blockgelände schließt sich ein langwieriger Alpinwanderweg auf einem breiten Gipfelrücken an. Ein mächtiges Donnergrollen in unmittelbarer Nähe beendet schlagartig die Monotonie unseres Aufsteigens. Regen war für den heutigen Tag einkalkuliert, ein Gewitter nicht! Was nun? Ein Umkehren in den durch Stahlseile und -bügel stark metallbelasteten Gratabschnitt kommt für uns nicht in Frage. Wir müssen abwarten, wie sich das Gewitter "entscheidet". Vielleicht entspannt sich ja die Situation auch so schnell, wie sie entstanden ist.
Der abgesenkte Wolkenvorhang lässt auf unserem weiteren Vortasten eine Standortbestimmung im Gipfelaufbau kaum zu. Jedenfalls bleibt es ruhig. Ute vernimmt sogar ein Donnern in weiter Ferne. Wars das nun schon oder kommt da noch was? Als dann endlich der Holzstock auf dem Westgipfel vor uns aus dem Nebel taucht, haben wir es fast geschafft - zumindest, was unser Tagesziel betrifft. Noch rund hundert Meter waagerechte Blockkraxelei und wir stehen (zwei Stunden nach unserem Einstieg am Panoramaplatz in den Grat) am Gipfelkreuz des Almagellerhorns (3.327,2 m).
endlose Stein- und Geröllwüste / Ute auf dem "Vorgipfel"
Trist und Grau präsentiert sich uns dieser Aussichtsgipfel. Vom angepriesenen Panorama fehlt natürlich jede Spur. Die Sichtweite beträgt vielleicht einhundert Meter und das metallene Gipfelkreuz brummt gespenstig wie ein Transformatorenhäuschen vor sich hin. Die Atmosphäre ist geladen, nicht nur, weil Utes Haare zu Berge stehen. Kommt das Gewitter etwa zurück oder ist es gar schon da und hat sich nur noch nicht gemeldet? Wir sind jedenfalls allein ("müotterschgottseeligu aleynzig", wie der Einheimische es formuliert) hier oben - es war ja auch nicht anders zu erwarten! Das Almagellerhorn ist (sicherlich wegen seiner Aufstiegsmühen und der degratierenden "Drei" am Anfang seiner Zahlenreihe) ein recht einsamer Berg - so dokumentiert es auch das Gipfelbuch.
Gipfel ohne Aussicht :(
Eine Viertelstunde verweilen wir nur, denn einsetzender Schneeregen lädt nicht gerade zur ausgedehnten Gipfelrast ein. Unser Eintrag ins Gipfelbuch ist getätigt, ein paar Waffeln und etwas Wurst sind aus dem Rucksack in den Magen gewechselt und mit dem Rundumblick sind wir (aufgrund der Bewölkung) auch verhältnismäßig schnell durch. Wir hangeln uns nun wieder hinab. Einfacher wird dies nicht - Nässe und Kälte machen den Abstieg wesentlich schwieriger.
Abstieg bei Schneeregen und Kälte
Nun wird auch der "Klettersteig" anspruchsvoller, da manche exponierte Stelle doch wesentlich mehr Vorsicht (und beherzteres Zupacken) erfordert als bei trockenem Gestein. Dazu kommen Utes (frauentypisch) kalte Hände, die ihr bei der Stahlseilnutzung den letzten Nerv rauben. Oder doch eher bei mir - beim Einweisen als "Vorsteiger"? Schließlich befolgt Ute (aufgrund ihres Kälteempfindens) meine Tips zu Tritt- und Haltepunkten nur sporadisch.
alpine "Waschküche"
Nach zwei Stunden teils rutschigem Abstieg wechseln wir am Panoramaplatz vom Grat in "sicheres Gehgelände". Die mittlerweile komplett durchnässten Klamotten tauschen wir gegen den trockenen Zwirn aus dem Rucksack. So wird der weitere Heimweg wesentlich angenehmer. Um 17:30 Uhr passieren wir die Heidbodme-Bergstation, an der zu diesem Zeitpunkt der Bahnbetrieb längst eingestellt ist - was für uns jedoch völlig irrelevant ist, da eine Gondelnutzung für uns keine Option darstellt. Schon eine Stunde später erreichen wir Furggstalden (Furggstalu, 1.901 m) und nehmen den Waldlehrpfad hinab nach Saas-Almagell und weiter nach Saas-Grund, wo wir 19:20 Uhr, also rund zehn Stunden nach unserem Tourenbeginn, wieder im Ortsteil Unter dem Bodmen eintreffen.
Spruch vom Almagellerhorn-Gipfel
Muß sich nun das "nur" 3.327 Meter hohe Almagellerhorn vor seinen großen prestigeträchtigen Nachbarn verstecken? Ich denke, nein! Es ist bei weitem kein Allerweltsgipfel, ist allerdings auch mit wenig alpiner Erfahrung (Wandern: T4+, Klettern: PD oder WS-) zu bezwingen und dann ist da noch diese wohltuende Einsamkeit (die auch das Gipfelbuch für sonnige Tage belegt) - so etwas kann die Viertausendermauer von Saas-Fee und der Weissmies-Buckel nun mal nicht bieten. Vielleicht kommen wir ja auch nochmal bei schönem Wetter hier her ... und dann soll uns mal einer das Almagellerhorn (mit seinem hohen Aussichtsfaktor) noch in die zweite Reihe "schlechtreden" - auch nicht im saasertitschen Dialekt!