41. GutsMuths-Rennsteiglauf 2013
25.05.2013 - 6:00 Uhr - 72,7 km / 1.470 Hm+ / 969 Hm-
"Wer in der Welt was auf sich hält, der läuft von Eisenach nach Schmiedefeld!"
Als wir am Sonntagmorgen kurz vor 6 Uhr die Heimreise vom Rennsteiglauf antreten regnet es in Eisenach ohne Unterlaß und die Wolken geben dem Tageslicht keine Chance, so duster ist es. Was hatten wir nur für ein Glück mit dem Wetter am Vortag: kein Regen (zumindest bis ca. 15:30 Uhr) und nicht so kalt, wie anfangs gemeldet, dazu ein paar Sonnenstrahlen und stellenweise gute Sicht auf die Täler des Thüringer Waldes. Es herrschte also optimales Laufwetter bei der 41. Ausgabe von "Europas größtem Geländelauf".
Dabei hatten die Meteorologen ein ganz anderes "Drumherum" für uns Läufer vorgesehen, aber zum Glück entschied sich der Wettergott kurzfristig für die Sportler und bescherte damit wieder Tausenden ein unvergeßliches Lauferlebnis, welches jedoch ohne die vielen hundert Helfer und die perfekte Organisation so nicht zustande kommen würde.
Der Rennsteiglauf ist ein Muß für jeden Breitensportler, mehr als 800 Traditionsläufer mit mindestens 25 Teilnahmen künden von der Beliebtheit dieser Veranstaltung, die jährlich um die 15.000 Teilnehmer anlockt. Ich bin seit 2009 auch dabei, anfangs auf der Unterdistanz Halbmarathon (war damals Salomon-Cup-Wertungsstrecke), dann auf dem "Richtigen", dem Kurs von Eisenach nach Schmiedefeld. Dabei war ich bei meiner ersten Stipvisite im Thüringischen schon bedient und war überzeugt, dort nicht nochmal hinzumüssen.
Eine pampige Antwort eines (höchstwahrscheinlich gestreßten) Helfers auf eine normale Frage und das, als Neuling bedingte Starten aus dem vorletzten Startblock beim Halbmarathon (1:31:00 h), waren damals keine gute Grundlage für ein Wiederkommen. Im nächsten Jahr war ich aber trotzdem wieder am Start und erzielte mit 6:32 Stunden meine bisher beste Zielzeit beim Supermarathon, obwohl mir mein damaliger Mentor Jens Mende vor meinem Debüt seine 2006 errungene 6:53 als das Maß aller Dinge vorgaukelte. Aber diese Zeit mußte ich selbst noch nie in Anspruch nehmen!
Vielleicht ist es auch ein "Gejammere auf etwas höherem Niveau", wenn ich mir bisher am Unterbieten der U6:30-Grenze vergeblich die Zähne ausgebissen hatte und stets etwas unzufrieden war. Es muß aber doch irgendwann mal klappen! Also, neuer Versuch mit der Gewißheit genug (längere) Trainingseinheiten dafür abgespult zu haben.
Jens kennt den Rennsteiglauf mittlerweile nur noch vom Hörensagen, aber mit Arbeitskollege Heiko und Vereinskamerad Tino habe ich in diesem Jahr zwei exzellente Antreiber für mein Vorhaben dabei, denke ich zumindest. Beide sind auf den "kürzeren" Distanzen für mich unerreichbar, aber Neulinge auf der Königsstrecke. Mal sehen, ob es was wird mit deren Funktion als Zugläufer oder als Druckmacher von hinten?
Der Freitag steht ganz im Zeichen von Anreise, Stadtbummel, Holen der Startunterlagen und der "Kloßparty". Genächtigt wird im Fahrzeug, da das zeitgleich stattfindende Burschenschaftstreffen die schon raren Übernachtungsmöglichkeiten an diesem Wochenende noch um einiges minimiert und wir uns deshalb auch gar nicht um eine Unterkunft bemüht haben. Halb eins ist bei mir die Nacht vorbei - Startvorbereitung! Die innere Unruhe ist noch da, in Gedanken gehe ich schon mal alles Wettkampf-Wichtige durch.
Die des nachts selbst auferlegte lange Kleiderordnung erfährt des Morgens eine kurzfristige Änderung: kurze Hose und kurzes Hemd, dazu Armlinge und "lange Strümpfe". Wobei die Oberbekleidung ein altes Fußballtrikot aus den 90ern ist. Damals spielte ich für den A.F.C.K.E. (Alkoholischer Fußballclub Kellerbar Einsiedel). Wir waren der Schrecken diverser regionaler Freizeitturniere, aber diese Zeiten sind vorbei.
Das "Knieproblem", welches mich die gesamte Vorwoche beschäftigte, hat sich über Nacht in Wohlgefallen aufgelöst, so wie es Ute vorausgesagt hat. Na dann kann ja nichts mehr schief gehen!
Pünktlich 6 Uhr geht's los! Weit über 2.000 Läufer drängen sich durch den Startbogen auf dem Eisenacher Markt. Auf dem Weg durch die Stadt und den Stadtpark, hoch zum Rennsteig, sortiert sich das Feld. Ein kleiner, 60 bis 70 Meter längerer Umweg an der "Hohen Sonne" ist wegen der schlechten Beschaffenheit des ursprünglichen Weges notwendig, ansonsten ist alles beim Alten - freundliche Helfer und klatschende Zuschauer oder nur Vogelgezwitscher und Natur pur. Die Stimmung im Tross ist locker, man grüßt sich, tauscht Nettigkeiten aus und noch tut auch nichts weh, denn der Anfang ist ja nur Spaß.
Spätestens der Schlußanstieg zum Inselsberg (Kilometer 25) fordert jedoch seinen ersten Tribut. Hier siebt das Streckenprofil gnadenlos aus: Trainierte oder Untrainierte, Läufer oder Wanderer. Ich gehöre zur zweiten Kategorie, den (Sicht-)Kontakt zu Tino habe ich hier schon längst verloren. Der folgende, steile Abstieg zur Grenzwiese läßt, trotz vorsichtig gewähltem Schritt, vergessengeglaubte Schmerzen im Knie wieder aufleben.
Meine Zwischenzeiten der Vorjahre habe ich im Kopf und ich gerate immer mehr in den Minus-Bereich. Wie soll ich das im zweiten und letzten Drittel der Strecke wieder 'rausholen, wobei ich doch gegen Ende erfahrungsgemäß immer abbaue, anstatt nachzulegen? Einen Plan dafür habe ich noch nicht, aber solange es rechnerisch möglich ist, glaube ich an mein Ziel!
An der Ebertswiese ist Bergfest, die Hälfte ist geschafft! Schleim und Cola für innen, einmal Wasser für außen - eine anderthalbe Minute verweile ich, dann stampfe ich weiter. Das Laufen mit einer Gruppe gelingt mir nur selten, da das vorgegebene Tempo mir entweder zu schnell oder zu langsam ist. Die Anstiege fallen mir schwer und der Rest geht auch nicht wie gewollt. Einmal zum Entleeren des Wassertanks an den Rand und schon wieder steht eine Minute mehr ohne Raumgewinn auf der Uhr. So türmt sich die "schlechte" Zeit immer mehr auf und ich weiß nicht, wann ich wieder in der Lage bin, etwas davon abzubauen.
Zwischendurch geht mir immer wieder das Rennsteiglied durch den Kopf und mit der Anfangsstrophe "Ich wandre ja so gerne am Rennsteig durch das Land ..." ist es ja auch ganz passend zu dem, was ich hier manchmal (bergauf) mache. Nur Klampfe und Rucksack fehlen noch und ich könnte mich getrost in den Trupp der Wandersleute einreihen, welche ich ab und zu überhole. Sie sind gut drauf und spenden Applaus, wenn sie passiert werden. Selbst die Walker machen, entgegen der gängigen Praxis, bereitwillig Platz für vorbeieilende Läufer.
Am Grenzadler (Kilometer 54,7) schaffe ich es dann erstmals wieder knapp unter meiner bisherigen Zwischenzeit-Minusmarke zu bleiben - 4:59:55 h. Da wird aber auch rechnerisch nichts mehr mit 6:29 in Schmiedefeld. Jetzt geht es nur noch um Schadensbegrenzung, auf alle Fälle nicht die 6:53 überschreiten und wenn möglich die persönliche Negativ-Zeit von 6:49 "unterbieten".
Ein paar Höhenmeter gilt es aber noch zu überwinden, u.a. steht ja der höchste Punkt der Strecke, der 974 Meter hohe Beerberg, auf dem Programm. Dessen Anstieg ist allerdings human und danach geht es (fast) nur noch bergab. Jetzt gilt es also Fahrt aufzunehmen und zu retten, was noch zu retten ist. An der Schmücke (Kilometer 64) habe ich 6:01:51 beim Überqueren der Zeitmeßmatte auf der Uhr. Zwischen 45 und 48 Minuten benötigte ich bisher für die restlichen offiziell 8,7 Kilometer. Doch diesmal läuft es für mich wie am Schnürchen, ich hole mir einen nach dem anderen und bin auch nicht gewillt, gewonnenen Boden wieder herzugeben.
Mit 43:40 Minuten auf dem letzten Abschnitt erreiche nach 6:45:31 Stunden das Ziel. Tino wartet dort schon geschlagene 17 Minuten - Glückwunsch zu "meiner" Traumzeit! Eine Weile warte ich noch auf "Verfolger" Heiko, aber er läßt sich Zeit und mir noch die Chance meinen Kleiderbeutel von der aufgeweichten, neben dem Zielbereich befindlichen Wiese zu holen. Ich laufe die Strecke entgegen und feuere die einlaufenden Supermarathonis an. So nach und nach kommen dann auch die von mir erwarteten Personen.
Rund zwei Kilometer vor dem Ziel nehme ich auch Ute in Empfang und begleite sie auf ihren letzten Metern. Sie wollte heute nur durchkommen und mit einer Zeit von 8:28:09 Stunden ist ihr das ganz gut gelungen. Ihre Bestzeit von 7:40 aus dem Vorjahr war heute bei ihr kein Thema, dafür gibt es derzeit zu viele Baustellen an Ute's Bewegungsapparat.
Im Festzelt wird bis gegen 19 Uhr noch dem allgemeinen Frohsinn beigewohnt, ehe es zur letzten Transfermöglichkeit, dem Bus nach Eisenach geht. Der große Fußballabend mit dem Champions-League-Endspiel Borussia Dortmund gegen Bayern München steht unmittelbar vor der Tür. Im ortsansässigen Supermarkt besorgen Heiko und ich noch die üblichen Leckereien für den Ballsportabend! Für 5 Euro gibt es einen Eimer voll Obst, das müßte doch für jeweils zwei Personen reichen! Und Bier? Etwa Alkohol und Fußball? Nicht doch, wir sind Sportler und brauchen außerdem für eine messerscharfe Spielanalyse einen klaren Kopf!
Ute und ich erleben die zweite Halbzeit des Finales eingemummelt in unsere Schlafsäcke im Fond des Wagens. Das Autoradio geht in der 88. Minute technisch bedingt aus und keiner von uns hat Lust die Kiste wieder anzumachen, um der drohenden Verlängerung beizuwohnen. Daß eine Minute später der Siegtreffer für Bayern fällt, konnte ja keiner ahnen ...
Supermarathon: 2.256 Starter - 2.158 Finisher
Ergebnis Männer: 1.789 Finisher
1. Seiler, Christian (GMRV Zeulenroda-Triebes) - 1. M30 - 5:10:25
2. Stegner, Carsten (SV Amberg) - 1. M35 - 5:27:07
3. Kühne, Karsten (Team RuN Sport) - 2. M35 - 5:30:50
4. Gediminos, Grinius (LTU) - 2. M30 - 5:31:22
5. Baldauf, Marcus (GMRV Brotterode) - 3. M35 - 5:37:03
6. Lynas, Matthew (LTV Erfurt - NOR) - 1. M45 - 5:40:07
86. Delling, Thomas (LV Limbach 2000) - 13. M40 - 6:45:31
Ergebnis Frauen: 369 Finisher
1. Hajek, Branka (Ilshofen) - 1. W20 - 6:15:45
2. Schiebel, Gitti (Uni Augsburg) - 1. W35 - 6:29:31
3. Kern, Karin (LAV Tübingen) - 1. W45 - 6:33:23
4. Wermescher, Ildiko (HUN) - 2. W45 - 6:42:09
5. Baumann, Katja (Geh-Punkt Weißenburg) - 1. W30 - 6:44:24
6. Ahrendts-Konold, Silke (-) - 1. W40 - 6:46:49
87. Herfurt, Ute (LV Limbach 2000) - 26. W45 - 8:28:09