Berglauf

11. Ultra-Trail du Mont-Blanc 2013

Geschrieben von Thomas Delling.

30.08.2013 - 16:30 Uhr - 167,7 km / 9.618 Hm+ / 9.618 Hm-

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Nach 2011 sind Ute und ich nun zum zweiten Mal in Chamonix, um die Umrundung des Mont-Blanc-Massivs gemeinsam und erfolgreich in Angriff zu nehmen. Das dies nicht einfach wird belegen die Finisherzahlen, welche meist unter 50% liegen, obwohl sich jeder Teilnehmer im Vorfeld für diese Veranstaltung qualifizieren muß. Hoffnung macht natürlich Ute's Erfolg beim (für mich technisch schwierigeren) Trail Ticino, bei dem nur 31% des Starterfeldes ein Zieleinlauf vergönnt war.

Der "The North Face Ultra-Trail du Mont-Blanc" vereint 4 verschiedene Läufe: den CCC (Courmayeur-Champex-Chamonix), den TDS (sur les Traces des Ducs de Savoie), den PTL (la Petite Trotte a Leon) und den UTMB (Ultra-Trail du Mont-Blanc). Eine Qualifikation mittels eines Punktsystems sorgt hierbei schon bei der Anmeldung für eine gewisse "Berechtigung". Doch nicht jeder Befugte ist aufgrund der limitierten Teilnehmeranzahlen dabei. Eine Auslosung Anfang des Jahres minimiert deshalb das Feld der Interessenten. Da wir aber bei der Verlosung für das 2012er Jubiläum Pech hatten, waren wir für dieses Jahr gesetzt und hatten schon eine gewisse Planungssicherheit.

Die Woche vor dem Wettkampf-Höhepunkt des Jahres nutzen wir mit leichten Bergtouren in Verbindung mit dem Streckenverlauf des PTL. Am Montag um 22 Uhr waren 89 Zweier- und Dreierteams in Chamonix gestartet um die unmarkierten 288,5 Kilometer mit nur drei offiziellen Verpflegungspunkten in Angriff zu nehmen. Was anfangs als Riesenspektakel (beim Start) für die Läufer beginnt, wird später immer einsamer. Als mobiler Anfeuerungstrupp machten wir uns deshalb auch auf den Weg, um die Leistungen der PTLer zu honorieren.

Kopie_von_DSC04049Kopie_von_DSC04148PTL: Montag 22 Uhr, Place Triangle de l'Amitie ...       ... Mittwoch 13 Uhr, Mont de Vores (2.067 m)

Der Donnerstag steht dann ganz im Zeichen "unseres" Laufes. Allein das Abholen der Startunterlagen nimmt dabei über zwei Stunden in Anspruch. Eindreiviertel Stunden anstehen, dann gibt es gegen eine Kaution von 20 Euro und gegen Vorlage des Personalausweises einen Kontrollzettel. Mit dem wird an der nächsten Station die beim Lauf mitzuführende Pflichtausrüstung (Mobiltelefon, Überlebensdecke, elastische Binde, Drillerpfeife, Regenhose, Regenjacke, lange Hose, langes Hemd mit mind. 180 Gramm Gewicht, wasserdichte Handschuhe, Mütze, zwei Stirnlampen, zweimal Ersatzbatterien, Essensvorrat, mind. 1 Liter Wasser) überprüft und abgehakt. Erst dann erhält man seine Startnummer, dazu Müllbeutel und den Kleidersack für Courmayeur.

Danach verdauteln wir uns den Rest des Tages in Chamonix und auf der UTMB-Expo. Allerlei nützliche Dinge rund ums Ultra- und Traillaufen gibt es dort, die man in Deutschland (noch) vergeblich sucht. Es  werden aber auch Laufrucksack und Geländelaufschuh immer wieder neu erfunden. Preis, Leistung und "Haltbarkeit" erscheinen bei einigen Produkten fraglich. Ist eben wie überall, Hauptsache der Rubel rollt! Im Ort kommen derweil die letzten TDS-Läufer ins Ziel, welche am Vortag in Courmayeur gestartet waren. Sie werden stellenweise frenetisch vom Publikum gefeiert. Den Abend verbringen wir dann in unserer Unterkunft in Passy Plaine Joux mit dem Packen unserer Läufersäcke.

Kopie_von_DSC04192Kopie_von_DSC04217Ultra-Warteschlange du Mont-Blanc.                         Sucht Anton Krupicka etwa einen größeren Rucksack?

Auch die Zeit am Freitag bis zum Start vergeht wie im Fluge. Hotelzimmer räumen, häusliches Einrichten auf dem (für Teilnehmer bis Montag kostenlosen) Parkplatz Grepon, erneuter Expo-Besuch, Mittagessen, Abgabe des Läufersacks (mit den Wechselsachen) für Courmayeur und zeitiges Einfinden im Startblock auf dem Place Triangle de l'Amitie unterhalb der Kirche von Chamonix.

Gegen 15 Uhr, also eine anderthalbe Stunde vor dem Beginn des weltweit bedeutendsten Ultra-Trails, begeben wir (Martina aus Dippoldiswalde, Ute und ich) uns zwischen die schon zahlreich (sitzend) wartenden Läufer aus aller Herren Länder. Es herrscht Kaiserwetter und so kann "Course Director" Catherine Poletti das sog. Briefing auch recht kurz fassen und sich mehr mit dem Abklatschen der Trailer im gesamten Startblock beschäftigen. Zwischendrin sind auch noch einige Offizielle damit beschäftigt stichpunktartig die Pflichtausrüstung der Läufer zu überprüfen. Ute hat dabei das Glück ihr mitgeführtes Hab und Gut noch einmal notariell abnicken zu lassen. Eine weitere Rucksack-Kontrolle durch ein anderes Team, einige Minuten später kann sie jedoch abwimmeln.

Die Spannung steigt, auf den Dächern und Balkonen der umliegenden Häuser sind die Fotoapparate im Dauereinsatz. Die Eliteläufer betreten so nach und nach den Startblock von vorn und die verbleibende Zeit bis zum Start wird in immer kürzeren Intervallen vom Sprecherduo verkündet. Ute kämpft sich aber nochmal an das Ende des Blocks, da dort Uwe Herrmann den Start mitverfolgt und uns alles Gute mit auf die Reise gibt. Er war mit seinen Mitstreitern am Dienstag beim PTL ausgeschieden.

DSC04257_-_KopieDSC04259_-_KopieEs ist eng im Startblock ...                                         ... und in den Straßen von Chamonix.

Dann ist es soweit, die Uhren werden gestartet und ich will, daß wir sie auch hier hinter dem Start- und Zielbogen erst wieder (gemeinsam) ausschalten. Die 2.469 Läufer bahnen sich kurz darauf ihren Weg durch ein tobendes Zuschauermeer in den Straßen von Chamonix (1.035 m). Ute und ich haben Mühe, uns in diesem Menschenknäuel nicht zu verlieren. Am Ortsausgang wird es dann etwas ruhiger und ein Passant bietet uns schon nach rund zwei Kilometern ein Bier an. Jetzt allerdings noch nicht! Im ständigen Auf und Ab im schattigen Waldabschnitt am Fluß l'Arve entlang, werden zaghaft die ersten Höhenmeter addiert. Dann geht es über die Schnellstraße nach Les Houches (1.012 m). Dort feuert "Trailschnittchen" Julia Böttger das Teilnehmerfeld an. Von ihr hatte sich Ute am Vormittag noch ein paar motivierende Sätze in ihr Tagebuch schreiben lassen.

Der erste Anstieg folgt nun, es geht hoch zum Col de Voza (1.653 m) und La Charme (1.800 m). Das Feld stockt immer wieder an den Engstellen der Strecke, aber Ute ist noch nicht so richtig in Tritt gekommen und so sind die kurzen Wartepausen gar nicht so schlimm. Nebenbei bekommt der Spanier Alex von mir einen "Schnellkurs" in Sachen deutsche Anfeuerungsrufe. Die Stimmung ist entsprechend locker und die Hausschweine am Paß muntern die ganze Geschichte zusätzlich noch auf.

Der stellenweise recht steile und sehr direkte Weg hinab nach Saint-Gervais-les-Bains (810 m) ist auf alle Fälle besser zu laufen, als vor zwei Jahren im Dauerregen. Spaß macht er trotzdem nicht! Zumal einige Läufer an unübersichtlichen Stellen auf den engen Waldpfaden unbedingt die vor sich befindliche Kolonne riskant überholen müssen, wenige Meter später aber auf breiten Straßenabschnitten wieder von uns eingeholt werden.

DSC04275_-_KopieKopie_von_DSC04288Wo sonst Kühe oder Schafe weiden ...                       Geisterstunde am Col du Bonhomme.

Im Talort haben wir dann die Halbmarathondistanz geschafft, mit 3:10 Stunden nicht sonderlich schnell, aber wir bewegen uns ungefähr in dem Leistungsbereich von 2011. Der Verpflegungspunkt ist hoffnungslos überfüllt und es ist schwer an die Tische mit den Stärkungen zu kommen. Beim Verlassen des Ravitaillement opfert ein Zuschauer für uns auch noch sein (Glas) Feierabendbier. Das gibt neue Kraft und Ute kann endlich ihre Verdauungsprobleme hörbar "veratmen".

So langsam setzt auf unserem Weg durch das Tal am le Bon Nant die Dunkelheit ein, deshalb nutzen wir auf einer Wiese die letzte Helligkeit um uns für die Nacht zurecht zu machen. Das lange ersetzt das kurze Hemd und die Stirnlampe sorgt nun für die ordnungsgemäße Ausleuchtung des Weges. Ich gönne meinen Lampen-Batterien jedoch noch eine lange Pause, da durch die Vielzahl der Lichtkegel genügend Sicht im Fußbereich herrscht.

In Les Contamines-Montjoie (1.170 m) ist das erste Zeitlimit angesetzt, ab 22:30 Uhr geht es hier nicht mehr weiter. Wir haben, wie vor zwei Jahren, ungefähr 40 Minuten Vorsprung, liegen also gut im "Fahrplan"! Beim Durchlaufen des Verpflegungszeltes herrscht wieder großer Andrang, deshalb beschränken wir uns in erster Linie auf Orangenstücke und Cola. Die klebrigen Hände werden im Brunnen nach dem Ausgang gesäubert und unter dem Gejohle der Zuschauer verschwinden wir wieder in die Nacht.

An der Bachüberquerung bei der Kirche Notre Dame de la Gorge (1.210 m), oberhalb des Parc de Ioisirs (1.175 m) ist dann noch einmal ein größeres "Begrüßungskomitee" versammelt. Danach wird der Weg steiniger und steiler - nur noch vereinzelt kommen uns Zuschauer entgegen, aber sie feuern jeden der Teilnehmer an - unglaublich! Eine endlose Lichterkette schiebt sich nun zum Col du Bonhomme hinauf. Dann über den Gipfeln des Naturschutzgebietes von Contamines-Montjoie eine Sternschnuppe! Mein Wunsch ist klar! Ute erfährt ihn standesgemäß nicht, denn er soll ja auch in Erfüllung gehen. Es ist jedoch ein offenes Geheimnis, daß ich mir nur ein Ankommen von uns beiden in Chamonix gewünscht haben kann, egal wie (natürlich noch laufend und nicht kriechend) und in welcher Zeit (selbst 45:59 Stunden)!

An der Berghütte La Balme (1.706 m) haben wir unseren Vorsprung auf die Zeitbarriere auf eine Stunde ausgebaut. Ein größeres Lagerfeuer empfängt dort die Ankommenden. Wir schlürfen unsere Nudelsuppe, kauen Apfelsinenstücke aus, essen Käse, Wurst und Brot, dazu etwas Kuchen oder Schokolade. Noch ein Energieriegel hinterher und dann wird alles mit Iso oder Cola 'runtergespült. Sportler leben nämlich gesund und achten deshalb auch im Wettkampf auf eine ausgewogene Ernährung!

Der weitere Weg hinauf zum Bonhomme ist mühsam, es gibt kaum die Möglichkeit zum Überholen und so trotten wir den anderen hinterher, obwohl Ute mittlerweile auf Betriebstemperatur gekommen ist und schneller könnte. Der Col du Bonhomme (2.329 m) ist 0:45 Uhr erreicht, nun geht es auf felsigem Untergrund hinüber zum Croix du Bonhomme (2.486 m). An der gleichnamigen Hütte (2.433 m) ist Nachtruhe, so daß ich mein Stempelbuch wieder umsonst mitführe. Also habe ich wieder nur ein Foto vom dunklen Holzbau des Refuge. Eine Helferin bietet mir dann zwar noch an, ein Bild von mir zu schießen, was ich aber dankend ablehnen muß. Denn Ute befindet sich bereits einige Personen vor mir im "schnellen" Bergabbereich. Da will ich natürlich den Anschluß nicht verlieren.

Im Tal sehen wir schon von weitem Les Chapieux (1.549 m), den nächsten Verpflegungspunkt. Dort wird auch wieder die Überprüfung der Pflichtausrüstung vorgenommen. Stichpunktartig - wir sehen umfangreich ausgerüstet aus und dürfen ohne "Check" in den Gastronomiebereich. Dort wird sogar ein Batterieservice für die Stirnlampen angeboten, den wir auch nutzen "müssen", da sich das Licht vom Kopf zunehmend immer mehr abschwächt. Die Bohnensuppe nehmen wir vor dem Zelt ein, da die angenehme Innentemperatur ein Weitermachen nur hinauszögern würde. Das Zeitlimit von 4 Uhr ist in weiter Ferne, als wir uns 2:38 Uhr auf den Weg zur französisch-italienischen Grenze am Col de la Seigne aufmachen.

Ich unterhalte Ute die Straße hoch nach La Ville des Glaciers (1.789 m) mit Details zur Strecke, wo der Weg ins Gelände abbiegt, wo noch Häuser stehen und das es sich bis zum Paß ganz schön in die Länge zieht. Nebenbei gebe ich mal noch mit 9 Uhr unsere Ankunftszeit für Courmayeur bekannt, obwohl ich Ute und mir versprochen hatte, keine Hochrechnungen mehr anzustellen, da diese meist nach hinten losgehen und somit zusätzlich demotivieren.

Fünf Minuten vor um Fünf passieren wir dann den Col de la Seigne (2.516 m). Vor zwei Jahren standen hier die Zeitkontrolleure im Schneesturm, heute ist alles angenehmer, denn trotz Sternenhimmel ist die Nacht sehr mild. Durch das Val Lex Blanche geht es hinab zum nächsten größeren Posten - Lac Combal (1.970 m), wo wir zwei Stunden vor dem Rausschmiß ankommen.

Kopie_von_DSC04295Kopie_von_DSC04309Am Lac Combal im Aostatal bricht der neue Tag an.                  ... wenig später am Arete du Mont-Favre.

Ein flacher anderthalber Kilometer zum See läutet den neuen Tag ein. Die Konturen der Viertausender zeichnen sich immer deutlicher am Himmel ab. Zwei Franzosen sind davon anscheinend so begeistert, daß sie weiter den einfachen Weg ins Tal nehmen und so den gut markierten Abzweig hoch zu den Ruinen von Arp Vieille Desot (2.075 m) verpassen. Ein lauter Zwischenruf von mir reißt sie jedoch aus ihren Träumen und auf den richtigen Pfad.

Der weitere Weg ist phantastisch! Jetzt kommen endlich diese Momente, bei denen man als normalsterblicher Mitteleuropäer die bisherigen Qualen vergißt und den Sinn des eigenen Tun's genießen kann. Wir sind hier nicht um zu gewinnen, um irgendeine Bestzeit aufzustellen - nein, wir sind hier, um neben dem sportlichen Wettkampf die Schönheit der Natur zu bewundern! Der Sonnenaufgang am Arete du Mont-Favre (2.435 m) ist etwas ganz besonderes: Aiguille des Glaciers, Petit Mont-Blanc, Aiguille de tre la tete, Mont-Blanc de Courmayeur, Aiguille Noire de Peuterey werden hier nicht nur von der aufgehenden Sonne angestrahlt ...

Ein Dutzend Läufer hat es sich auf der Wiese oberhalb des Weges bequem gemacht, ihnen ist dieser "Zeitverlust" egal. Sie sind genauso fasziniert wie wir. Deshalb pausieren wir ebenfalls und lassen uns von einem Spanier vorm Bergmotiv fotografieren. Unsere "Lauftaktik" besteht zudem aus vielen kleineren Pausen, um danach wieder ausgeruht und schneller den nächsten Abschnitt in Angriff nehmen zu können. Bisher klappt das auch ganz gut und bei so einem Panorama zwingt sich eine kurze Laufunterbrechung regelrecht auf.

Jetzt beginnt der etwas längere Abstieg nach Courmayeur: bis zum liebevoll bewirtschafteten Zwischenstop Col Checrouit Maison Vieille (1.956 m) noch recht gemächlich, dann jedoch ziemlich steil und staubig. Aber der Abschnitt ist selbst Ute noch bekannt, waren wir doch erst im Vorjahr hier zum Wandern. Am großen Verpflegungspunkt im Sportforum von Courmayeur (1.200 m) treffen wir schon 8:40 Uhr ein. Die bereitgestellten Kleidersäcke werden uns im Vorbeigehen ausgehändigt und im Innenraum des Sportcenters ist auch noch ein Plätzchen für uns frei.

Während ich in den angekommenen Nachrichten auf dem Telefon stöbere, hat Ute sich schon gewaschen und umgezogen. Bei mir entfällt die Reinigung, aber ein neues Hemd kommt auf den verschwitzten Körper. Nur mit dem Sockenwechsel hab' ich mich noch etwas eng. Ich will das Elend in den Hoka's gar nicht sehen! Ute's Überredungstalent ist es dann doch zu verdanken, daß ich mir die immerhin schon vier Blasen an den Füßen mit der Fingernagelschere aufschneide und desinfiziere. Da kommen dann Pflaster und neue Socken drauf und ich fühle mich wie neu geboren.

Obwohl in der Halle, neben dem üblichen Sortiment, auch Spaghetti angeboten werden, essen wir nur etwas Apfelmus und trinken ein wenig von der braunen Zuckerbrause. So ist hier auch schnell über eine Stunde verbummelt!

Über den Fluß Doire Baltea nehmen wir die ersten Höhenmeter durch den Ort, hoch zum Place Abbe Henry, wo die bisherigen drei Auflagen des "Tor des Geants" starteten. In acht Tagen beginnt der TDG jedoch auf der Viale Monte Bianco, wo sich am heutigen Morgen der CCC in Bewegung setzte. Schon von weitem, hört man die markante Stimme des Moderators des TDG. Er kündigt jeden vorbeikommenden Läufer mit Name und Nation für die Umstehenden an. Zwischendurch gibt er dann nochmal Daten zu Streckenlänge, Profil und Zeit den staunenden Passanten mit auf den Weg.

Der steile Anstieg zum Mont de la Saxe ist uns hinlänglich bekannt, zum fünften Mal sind wir nun schon auf diesem Streckenabschnitt unterwegs - der UTMB 2011 ('rauf), unser gemeinsamer "Rest"-TDG 2012 ('runter) und zwei Wanderungen ('rauf/'runter) haben uns die Strecke einprägen lassen. So wissen wir um die Länge des Bergauf und Ute ist wesentlich besser drauf als 2011. Völlig entspannt nehmen wir dann unterhalb der Refuge Georgio Bertone (1.989 m) den "Fotographierdienst" einer Engländerin in Anspruch, denn viele der vorbeikommenden Trailer wollen unbedingt ein Bild von sich mit dem Mont-Blanc-Massiv im Hintergrund. Wir auch! Sie hat deshalb alle Hände voll zu tun, während ihrer Rast auf der "Tour du Mont-Blanc". Sie würde dafür allerdings zehn Tage benötigen und nicht wie wir nur 46 Stunden, spielt sie ihre eigene Leistung dabei herunter. Wir lachen mit ihr über diese Aussage und wünschen uns gegenseitig noch viel Spaß bei der jeweiligen Mont-Blanc-Umrundung. Wir müssen weiter, denn der nächste Läufer steht schon mit gezücktem Fotoapparat neben uns.

Kopie_von_DSC04329Kopie_von_DSC04352Unterhalb Refuge Bertone (km 82).           UTMB-/TDG-Streckenabschnitt zwischen Bertone und Bonatti.

Es ist der Wettkampf der uns weitertreibt, denn sonst gäbe es keinen Grund hier in Hektik zu verfallen. Der Rundumblick vom Praz de la Saxe (1.991 m), oberhalb der Wasserstelle Bertone ist traumhaft. Auch auf dem weiteren Weg ist die Sicht auf Mont-Blanc und Grandes Jorasses ungetrübt - wie im Bilderbuch.

Beim Überqueren des Baches Torrent d'Armina ist dann auch der Grund unseres Verlaufens beim TDG 2012 sofort sichtbar. Wir waren damals gemeinsam die restlichen 29 von 332 Kilometer bis Courmayeur gelaufen, obwohl mein (offizielles) Ziel, nach einem Wintereinbruch am Col Malatra, in Saint-Rhemy-en-bosses war. Im Dunklen, ohne Streckenmarkierung orientierten wir uns damals fälschlicherweise am Weg parallel zum Bachlauf und hatten damit eine größere Gebüschstocherei vor uns. Wir hätten damals nur die kleine giftige (nicht sofort als Weg ausmachbare) Steigung nehmen sollen und hätten uns so eine Menge Ärger erspart.

An der Refuge Walter Bonatti (2.010 m) erwartet mit Elizabeth Hawker eine der besten Ultraläuferinnen der Welt die Teilnehmer. Sie begrüßt uns freundlich und ist auch für ein Foto gern bereit. Manch einer ihrer Landsleute erkennt sie natürlich nicht, obwohl sie die Läufer mit dem Union Jack auf der Startnummer besonders willkommen heißt. Ich finde Gefallen an dieser für die Insel-Teilnehmer dann peinlichen Situation.

Beim Verlassen der Getränkestelle am unteren Teil des Val Malatra verwirrt mich das Ankündigungsschild für die nächste Zeitschranke. Diese ist in Arnuva und eine Viertelstunde eher, als auf dem mitgeführten Plan. Das macht uns ein klein wenig schneller, denn unser Zeitpolster hat sich mittlerweile etwas verringert. Letztendlich ist es jedoch nur halb so schlimm, denn Arnuva (1.769 m) wird 14 Uhr, also 2:15 Stunden vor der "barriere horaire" erreicht.

Wir stärken uns ausgiebig und verlassen das italienische Val Ferret Richtung walliser Val Ferret. Dazwischen thront mit 2.537 Metern Seehöhe der höchste Punkt der UTMB-Runde, der Grand Col Ferret. Bis dahin gibt es für den Bewegungsapparat nochmal ordentlich Arbeit und auch die Augen haben jede Menge zu verarbeiten: Petites Jorasses, Aiguille de Leschaux, Aiguille de Talefre, Aiguille de Triolet, Mont Dolent, dazu die Gletscher Glacier de Triolet und Glacier de Pre de Bar.

Kopie_von_DSC04370Kopie_von_utmb1Mit 2.537 m üNN höchster Punkt - Grand Col Ferret.    "Kurze Fuffz'n" im Tal La Peule.

Auf dem Paß weht ein kräftiger Wind die ersten Schleierwolken heran. Jetzt haben wir 99 Kilometer in der Tasche und ein langgezogener Abstieg folgt. Nun gilt es wieder Fahrt aufzunehmen. Diese wird nur unterbrochen durch eine kleine Schlafpause für Ute. Ich kümmere mich in der Zwischenzeit um die "Bild-Berichterstattung" via Telefon in die Heimat.

Über La Peule (2.071 m) geht es "wie gewohnt" Richtung Ferret, nur diesmal biegt der Weg nicht in den Ort, sondern nimmt die kleine Steigung linkerhand des Flußes La Dranse de Ferret. Ich zeige Ute den Weg von 2011 auf dem gegenüberliegenden Berghang und versichere ihr, daß die diesjährige Route leichter ist. Wenig später untermauert eine entgegenkommende Frau mit ihren Zeitangaben bis La Fouly, meine These. Ute jedoch interpretiert diese falsch und sorgt so noch einmal für Zweifel. An der Gite de la Lechere (1.683 m) feuern uns die im Sonnenschein sitzenden Gäste der Hütte an. Einer von ihnen spendet bereitwillig sein Bier für uns und so brandet nocheinmal lautstarker Jubel auf, als Ute die Flasche ansetzt.

Kurz darauf treffen wir in La Fouly (1.598 m) ein. Hier war Ute vor zwei Jahren ausgestiegen - völlig übereilt, denn wir hatten damals noch 3 Stunden Vorsprung auf das Zeitlimit und hätten mit einer ein- oder zweistündigen Pause die Sache ausgeruht fortsetzen können. Wir hatten damals beide Fehler gemacht, das soll uns heute nicht wieder passieren.

Das Verpflegungszelt steht fast am Ortseingang. Es ist gut besucht und viele bereiten sich schon auf die bevorstehende Nacht vor. An unserem Tisch sitzt rechts neben uns ein älterer Mann, zu dem ein Jüngerer kommt und sich sinngemäß (übersetzt) folgender Dialog entwickelt: "Du ißt gerade meine Suppe!" - "Nein, mach' ich nicht!" - "Doch! Du ißt von meiner Suppe!" - "Nein! Da bin ich mir sicher, daß das meine Suppe ist!" - "Naja, egal!" und nimmt sich Ute's auf der Bank abgestellten Rucksack. Jetzt blende ich mich ins Gespräch ein und verweise ihn auf den falschen Sack, den er da hat. Da erblickt er seinen, links neben mir abgestellten Suppenteller und seine Ausrüstung. Er entschuldigt sich mit "Tut mir leid, zu viele Kilometer!". Wir müssen lachen und werden höchstwahrscheinlich keine Anzeige wegen versuchten Diebstahls bei der Kantonspolizei erstatten.

Nach einer halben Stunde Aufenthalt brechen wir 18:25 Uhr auf, wir wollen den verhältnismäßig gut laufbaren Abschnitt bis Issert (1.055 m) noch im Hellen schaffen. Am La Dranse de Ferret führt die Strecke entlang, das Flußbett zeigt deutlich die Spuren eines Hochwassers. Dutzende entwurzelte Bäume und riesige Felsbrocken hat sich dort die Kraft des Wassers zurechtgelegt. Auch größere Ausspülungen am Flußufer zeugen von den Naturgewalten.

Mit der Zeit hat sich auch das Teilnehmerfeld etwas gelichtet, man kann endlich über eine längere Distanz sein eigenes Tempo laufen, ohne ausgebremst zu werden. Vor Beginn des Anstiegs nach Champex-Lac (1.477 m) setzen wir wieder die Stirnlampen auf, den jetzt geht es durch den Wald zur nächsten großen Raststätte. Eine Zwischenzeitnahme einen anderthalben Kilometer vor dem Ort soll ein Abkürzen mittels Fahrzeug verhindern. In Champex-Lac schwanken dann die Angaben der Entgegenkommenden zur verbleibenden Streckenlänge so stark, daß wir schon gar nicht mehr hinhören.

Das Zelt ist proppevoll mit Läufern und Begleitpersonen, wir haben Probleme einen Platz zu finden. Heizpilze sorgen zudem für eine angenehme Wärme, welche beim Verlassen des Zeltes natürlich nicht förderlich sein wird. Jean-Claude Marmier, der Streckenchef des PTL, sitzt im Eingangsbereich und schaut dem Treiben zu. Es gibt für uns Makkaroni mit Bolognese und Käse, dazu Kaffee und Cola. Auf einer Holzbank finde ich danach für ein paar Minuten Ruhe (bei einem Lärm wie auf einem Marktplatz) und schlafe ein. Während ich mich so ein wenig regenerieren kann, kämpft Ute umsonst gegen den Radau für ein paar Minuten Schlaf.

Nach rund einer Stunde Pause setzen wir uns wieder in Bewegung. Am See vorbei führt uns die Markierung zum Ortsausgang und dann bergab nach Plan de l'Au (1.330 m). Dort gibt es noch eine zusätzliche Wassertränke im Tal, da die Versorgung auf der Bovine entfällt. Wir laufen im Wald einen weit ausladenden Bogen, so daß wir vor und hinter uns die jeweilige Lichterstraße der Läufer sehen. Dazu kommt noch das hell erleuchtete Martigny im Tal, dorthin ging vor zwei Jahren die Ersatzstrecke, da unser jetziger Weg damals unpassierbar war.

Ein hinter mir im Tross laufender Franzose meint, ich wäre mit meinen kurzen Hosen definitiv zu luftig angezogen, denn auf der Bovine wäre es kalt und windig. Ich bedanke mich für seinen Rat, sehe aber noch keinen Handlungsbedarf. Klar ist es blöd, wenn man sich an einer ausgesetzten Stelle im Wind oder Sturm umziehen muß, aber ich habe in den zurückliegenden Stunden auch mitbekommen, daß viele Italiener, Franzosen, Spanier und Asiaten zu viel Zwirn auf der Haut tragen. Das geht los mit Jacke, Mütze, Handschuhen und hört auf mit Thermohosen - tagsüber wohlgemerkt! Das solche Leute ein anderes Kälteempfinden haben müssen ist normal. Also belasse ich es untenrum in kurz und oben wärmt mein Langarmhemd. Und falls ich dieses noch am Tage anhaben sollte, war ich nur zu faul es auszuziehen.

An der Bovine (1.975 m) steht nur ein kleines Zelt und daneben lodert ein Lagerfeuer. Durch ein Kuhgatter geht es weiter hoch zum Punkt Portalo (2.049 m). Danach beginnt der Abstieg über La Giete (1.884 m) zum Col de Forclaz (1.528 m). Von dort aus ist es wieder die Route, wie ich sie von 2011 kenne: "flacher" Waldweg, sehr gut gesicherte Straßenquerung, "steil" abfallender Waldweg und schon ist Trient (1.300 m) erreicht.

Ute hat unterdessen nicht mehr viel mit Ute gemein. Sie ist völlig am Ende und benötigt dringend etwas Schlaf, denn sonst können wir hier unsere Reise beenden. Zu allem Überfluß vertue ich mich beim Umrechnen von Lauf- auf Tageszeit um eine Stunde. Nach meiner Mathematik ist es 3:35 Uhr (und nicht 2:35 Uhr). Wenn Ute jetzt noch eine Stunde schläft, ist das Zeitlimit von 5:45 Uhr also in greifbare Nähe gerückt. Deshalb will sie sich auch keine Pause gönnen, obwohl ich ihr dringend dazu rate. Leichte Ansätze von Anarchie zerstören jetzt unsere bisher gut funktionierende Zweckgemeinschaft. Unser gemeinsames Ziel ist in Gefahr! Hier müßte ich jetzt ein Machtwort sprechen. Ich tue es aber nicht und rate Ute, sich wenigstens mit einem Gel und etwas Kaffee für den nächsten Streckenabschnitt fit zu machen. In der Zwischenzeit rechne ich die Uhrzeit noch zweimal mit Hilfe der Finger durch und siehe da, es ist erst 3 Uhr! Zeit für wenigstens 20 Minuten Schlaf.

Im Rot-Kreuz-Raum geht es zu wie im Taubenschlag und trotzdem sind auch wir hier noch herzlich willkommen. Aber wir wollen keine Blasen behandelt haben, oder die Muskulatur durchgeknetet bekommen - nein, wir wollen nur kurz schlafen. Freundlich werden wir hinter einen Vorhang gebeten, wo 6 oder 7 Matratzen bereit liegen. Ich lasse mich auf die Erstbeste fallen und bin sofort eingeschlafen. Ute hat wieder mit der Lautstärke im Raum zu kämpfen, die der Vorhang ja nun nicht zu 100% zurückhält. Nach 20 Minuten werden wir von einer Helferin geweckt und schauen uns erstmal verdattert an. In der Zwischenzeit haben es sich noch weitere Läufer hier bequem gemacht. Auf den Zetteln an ihren Fußenden stehen die Weckzeiten: 3:55 Uhr und sogar 5:45 Uhr.

Als wir wieder an der Luft sind, frieren wir wie die Schoßhündchen. Das Geklapper meiner Zähne kann ich beim besten Willen nicht unterdrücken. Wir müssen also das Tempo erhöhen, um wieder auf Normaltemperatur zu kommen. Jetzt holen wir uns bergauf die Plätze zurück, die uns der Schlaf "gekostet" hat. Wir sind ständig am Überholen und haben uns bis Les Tseppes (1.932 m) schon 23 Läufer geschnappt. Unterhalb des Carraye schlängelt sich der enge Pfad nach Catogne (2.027 m). Hier steht wieder nur ein kleines Zelt, als Schutz für die Zeitnehmer. Mittlerweile habe ich auch aufgehört unsere Überholvorgänge zu zählen, aber es kommen (auf dem Bergabstück nach Vallorcine) noch etliche dazu.

utmb3Kopie_von_DSC04387Da geht's lang, Ute und Thomas!!                 Ankunft in Vallorcine, 2:50 Stunden vorm Zeitlimit.

Mit Vallorcine (1.260 m) ist der letzte Talort der Mont-Blanc-Runde erreicht. Noch ein "Berg" folgt und wir sind da. Wir lassen es im Zelt gemütlich angehen, denn jetzt haben wir für die restlichen 19 Kilometer (theoretisch) 7 Stunden und 45 Minuten Zeit. Es ist hell, als wir uns auf den weiteren Weg, leicht ansteigend, zum Col des Montets (1.461 m) aufmachen. Dort wechseln wir die Straßenseite und befinden uns im Reserve Naturelle des Aiguilles Rouges. Die an der Schutzhütte stehenden Pflanzen und Gehölze sind auf dazugehörigen, kleinen Schildern benannt. 

Aufmerksamkeit erregt jedoch ein größeres, den UTMB betreffendes Schild. Von weitem prangt eine türkise Tafel mit der Aufschrift "K2". Wird jetzt dem ausgelaugten Mont-Blanc-Trailer etwa kurz vor Schluß der Qogir vorgesetzt, um die Finisherquote möglichst niedrig zu halten? Nein! Es handelt sich hierbei um eine Orientierungstafel, welche dem Rettungsdienst im Notfall das Suchen erleichtern soll.

Im Zickzack nehmen wir die letzte Steigung, manche Abschnitte geben dabei das Mont-Blanc-Massiv frei - bei aufgehender Sonne ein herrlicher Anblick! Aber die Freude dauert nur kurz und bald ist der gegenüberliegende "Weiße Berg" im Weiß der Wolken verschwunden. Über La Tete aux Vents (2.130 m) kommen wir nach La Flegere (1.860 m). Dort ist für nach 44:30 Stunden Laufzeit ankommende Teilnehmer Schluß! Das heißt, bis 13 Uhr muß man hier durch sein, sonst wird man aus dem Rennen genommen. Wir lassen uns kurz nach 10 Uhr vom Kontrollposten registrieren und halten uns danach nicht allzulang im Zelt auf.

Kopie_von_DSC04398Kopie_von_DSC04408Den K2 fürchte ich (auch nach 153 km) nicht!  Ute im Rampenlicht bei La Flegere (km 160).

Jetzt geht es nur noch 'runter! Zumindest grob: Ein kleiner Anstieg wartet noch auf uns, ehe wir auf einer anfangs breiten Schotterpiste und später auf kurvenreichen Waldwegen hinab ins Tal geschickt werden. Unter uns wähne ich Chamonix und wundere mich, daß wir immer weiter westlich abtriften. Das werden bestimmt "lange" 8 Kilometer bis ins Ziel, wenn wir erst noch über Sallanches laufen müssen, denke ich. Ute bemerkt mein Zweifeln und meine Unsicherheit im ungewohnten Gelände. Stichelnde Fragen folgen. Dann platzt es aus mir heraus, in Anlehnung an Ute's Verfehlungen auf dem Schlußabschnitt beim Trail Ticino, fauche ich sie (im Spaß) an: "Wenn wir jetzt noch an unserem Hotel (in Passy) vorbeikommen, bleibe ich gleich dort!"

So weit 'rüber geht der Weg dann doch nicht und ein bischen Wehmut kommt bei mir auf: "Schade, daß es gleich vorbei ist!". Fragende Blicke von Ute und ein "Das kann er jetzt doch nicht ernst gemeint haben!" lese ich aus ihren Gesichtszügen. Aber sie wird mir später im Ziel zustimmen.

Ein Biergarten in La Floria (1.337 m) wird gequert. Applaus von den Gästen folgt, ebenso aufmunternde Worte der entgegenkommenden Passanten. Die zu unserer Motivation gedachten Zeit- und Entfernungsangaben für das Reststück sind jedoch recht schwammig. Egal, denn jetzt passiert etwas Ungewöhnliches: Ute (sonst ohne jeglichen Orientierungssinn) erkennt in "unserem" Weg den Schlußabschnitt der 2011er Ersatzstrecke von Vallorcine über Argentiere nach Chamonix wieder. Sie war mir damals auf diesem Weg entgegengekommen, um mit mir gemeinsam ins Ziel einlaufen zu können.

Das brauchen wir heute nicht! Angetrieben von den hunderten Zuschauern, die den Zieleinlauf einer Frau natürlich frenetisch feiern, bahnen wir uns unseren Weg durch Chamonix. Hand in Hand geht es dem Ziel entgegen. Nur zum Abklatschen mit den am Rand stehenden Kindern lassen wir einander los. Noch zwei Kurven und wir sind da. Zwischen den Zuschauern steht Martina (sie wurde in Arnuva nach 94 km aufgrund des Zeitlimits aus dem Wettbewerb genommen). Sie flitzt außerhalb der Absperrung vor uns her, um uns zu fotographieren. Für ein Bild bleiben wir dann auch stehen. Was mag jetzt in Martina vorgehen, wenn sie uns zwei Glücklichen sieht und ihr selbst kein Zieleinlauf vergönnt war?

UTMB_Zieleinlauf_2013Schade, gleich ist es vorbei!

Die letzte Gerade zum Zielbogen ist viel zu kurz! Jetzt kommen die Emotionen hoch! Überglücklich fallen wir uns auf dem Zielstrich in die Arme. Ute hat nun auch den UTMB bezwungen! Ein Traum ist in Erfüllung gegangen. Knapp 43 Stunden nach dem Start am Freitag Nachmittag stoppen wir unsere Uhren hinter der Ziellinie.

Kopie_von_DSC04421Kopie_von_DSC04413Zieleinlauf in Chamonix: Der Dreck an den Beinen geht (ab) - der Stolz bleibt!

Nachdem die Formalitäten (Coupon für Chip-Pfand, Finisher-Weste) erledigt sind, gönnen wir uns am Zielverpflegungszelt jeder eine Büchse Bier, eine zweite und gar dritte (bei mir) folgt. Feste Nahrung gibt es auch, so kann ich mich jedenfalls noch dunkel daran erinnern. Ob ich jedoch davon Gebrauch gemacht habe, ist nicht überliefert. (Das hab' ich jetzt nur so geschrieben, einen Vollrausch hatte ich natürlich nicht!) Wir suchen uns ein schattiges Plätzchen und quatschen mit Martina über ihren und unseren Lauf.

Mit zunehmender Zeit wird es uns dort jedoch zu kalt und wir begeben uns wieder in die wärmende Mittagssonne. Dabei wird Ute von Trail-Ticino-Macher Fabio Bernasconi "entdeckt", der im Zielbereich mit Pascal Bourquin wartet. Natürlich begrüßt er "seine" Frauensiegerin und die nächste Dreiviertelstunde fachsimpeln wir dann gemeinsam über "seinen" Trail Ticino, den UTMB, den PTL und den TDG, über Blasen an den Füßen und das Laufen mit Partner(in) auf längeren Distanzen. Auch über die "terzo edizione" des Ticino läßt Fabio schon mal einige Details zur Streckenführung gucken ...

Kopie_von_DSC04411Fabio Bernasconi (Organisator des Trail Ticino) und Pascal Bourquin mit Ute im Ziel.

Die Füße voller Wasser- und Blutbeulen, gehüllt in den Duft eines toten Iltis', dazu noch erdfarbene Kniestrümpfe und versalzene Bekleidung - Menschen sehen anders aus! Nachdem wir geduscht und uns auf dem Parkplatz am Fahrzeug wieder zivilisationsgerecht hergestellt haben, begeben wir uns abermals zum Start-/Zielbereich. Dort findet bei einem ausgiebigen Abschlußbuffet die Präsentation des aktuellen UTMB-Videos statt. Ein gelungener Zusammenschnitt von Natur- und Wettkampfimpressionen läßt das Wochenende bei einer gehörigen Portion Gänsehaut nochmal Revue passieren.

Fazit: eine mehr als gelungene Großveranstaltung, welche nicht zu Unrecht das Non-plus-ultra des Traillaufes darstellt. Das Wetter trug seinen (wichtigen) Teil am Gelingen mit dazu bei und sorgte so für ungewöhnlich hohe Finisher-Zahlen. Was mir allerdings sauer aufstößt sind die vielen, den Weg "zierenden" Gel- und Riegelverpackungen! Da sind dann wohl doch einige Läufer fehl am Platze und man kann nur für die Zukunft hoffen, das solche Sauerein den Veranstaltern (von Landschaftsläufen generell) nicht auf die Füße fallen, weil die bürokratischen Hürden dafür dann noch höher werden.

Ergebnis UTMB - Männer: 2.246 Starter, davon 1.545 Zieleinläufer

1. Thevenard, Xavier (Asics - FRA) - 1. SEH - 20:34:57
2. Heras Hernandez, Miguel Angel (Salomon - ESP) - 2. SEH - 20:54:08
3. Dominguez Ledo, Javier (Kirolak-CM-Gazteiz - ESP) - 3. SEH - 21:17:38
4. Olson, Timothey (The North Face - USA) - 4. SEH - 21:38:23
5. Foote, Michael (The North Face - USA) - 5. SEH - 21:53:19
6. Chorier, Julien (FRA) - 6. SEH - 22:08:11

1.035. Delling, Thomas (LV Limbach 2000) - 459. V1H - 42:54:55

Ergebnis UTMB - Frauen: 223 Starterinnen, davon 140 Zieleinläuferinnen

1. Bosio, Rory (The North Face - USA) - 1. SEF - 22:37:26
2. Picas Albets, Nuria (Buff - ESP) - 2. SEF - 24:32:20
3. Roca Rodriguez, Emma (CEC - ESP) - 1. V1F - 24:48:14
4. Fori, Katia (Team Tecnica - ITA) - 2. V1F - 27:48:45
5. Trigueros Garrote, Silvia Ainhoa (Zortzietakoak-Gaikar - ESP) - 3. SEF - 28:13:12
6. Fowler, Gill (La Sportiva Australia - AUS) - 4. SEF - 28:50:30

79. Herfurt, Ute (LV Limbach 2000) - 29. V1F - 42:54:57


Bilder vom PTL, vom UTMB und vom Drumherum.

Ergebnisse auf Livetrail.

P1000280_-_Kopie"Nächstes Jahr wieder??"





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