24.06.2017 | 11:13 Uhr | 14,8 km | 941 Hm+ | 20 Hm- | (Einladungslauf) |
Am letzten Juni-Wochenende jeden Jahres steigt im vogtländischen Reichenbach für Ute und mich normalerweise der 24-Stundenlauf um den Wasserturm. Eine Teilnahme daran war in den letzten Jahren stets Usus und nach dem letztjährigen sportlichen Desaster eine Wiedergutmachung Pflicht. Nur ließen unsere sportlichen Sparmaßnahmen im Frühjahr und unsere Feriengestaltung im Sommer keine Veranstaltung dieses Umfangs zu - wenn man mal realistisch und vernünftig ist! Daher wurde der Klassiker auch schon frühzeitig aus unserem Veranstaltungsplan gestrichen und das Wochenende als weitere Sportlücke deklariert.
Nun hat aber Ute einen besonders guten Draht zu den Sportvereinen in ihrer Heimat, nördlich der Bezirkshauptstadt. Diesmal war es Sebastian Klost vom SV Grün-Weiß Mohsdorf, der uns zu einer firmeninternen Laufveranstaltung ins Erzgebirge einlud. Dabei trifft sich einmal im Jahr ein Teil der Belegschaft von IBM zum Lauf- oder Wandertag im böhmischen Teil des Erzgebirges. Die Zahl der Willigen hält sich dabei in Grenzen und von Jahr zu Jahr wird diese Gemeinde kleiner. Da auch mit Änderungen der Streckenabschnitte keine neuen Interessenten rekrutiert werden konnten, wurde die Veranstaltung nach außen hin geöffnet und wir beiden mit eingeladen. Der Grundgedanke "Mensch gegen Maschine" beinhaltet einen Wettkampf zwischen Läufern (Menschen) und Radfahrern (Maschinen). Da dieses Kräftemessen auf der Ebene ziemlich schnell entschieden sein dürfte, wurde der Vergleich an den Südhang der höchsten Erhebung des Erzgebirges, an den Keilberg (1.244 m üNN) gelegt.
In Warta (Stráz nad Ohrí) wird am Ufer der Eger auf 323 Metern Seehöhe ein knapp 15 Kilometer langer Wettkampf hinauf zum Keilberg (Klínovec) gestartet, bei dem sich Läufer und Radfahrer duellieren. Weil es nun aber die zehnte Ausgabe dieses Wettstreits ist, teilte Chef-Organisator Frank Schönfeld den sportlichen Teil in einen Wettbewerb vom Bahnhof Vierenstraße in Neudorf zum Fichtelberg über rund 6 Kilometer und einen zweiten, anschließenden Kampf von Bömisch Wiesenthal (Loucna) zum Keilberg über ca. 5 Kilometer. Man konnte dabei auch nur den ersten Teil bestreiten, wenn man die sportliche Reife für beide Abschnitte (noch) nicht besaß. Doch aufgrund der geringen Teilnehmerzahl wurde diese Jubiläumsvariante wieder verworfen und zum Original zurückgekehrt.
Um beim MM10 bestens gerüstet zu sein, findet am Freitagabend für mich noch eine Art internes Abschlußtraining mit Formüberprüfung am ansteigenden Gelände statt. Der Hang der ehemaligen Mühlbergschanze in Einsiedel bietet sich da (nach 13 flachen Kilometern zur Erwärmung) als Sparingspartner regelrecht an. Der Heimweg von dieser Inszenierung gestaltet sich dann aber (ungewollt) etwas langwieriger: Kurzbesuch auf ein Bierchen in trauter Runde und der klassische Versacker als Endresultat. Anfangs kann man diese Art des Zwischenstopps noch als wettkampfvorbereitende Aufnahme von Elektrolytgetränken verstehen, jedoch ist die Vielzahl der vom Körper zu verarbeitenden Mineralstoffe, Aminosäuren, Kohlenhydrate und Vitamine wohl doch etwas überdosiert. In die sonst monotone Bieraufnahme untergemischte Eierliköre verschärfen die angespannte Situation zusätzlich.
Mit den ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages finde ich mich dann auch im heimischen Bett wieder. Der Heimweg war schnell - immerhin nur 30 Minuten für 6 Kilometer! Die Hausaufgaben sind also gemacht! Vielleicht ist aber die folgende Ruhephase doch etwas zu kurz? Von der Leichtigkeit des eben noch absolvierten Laufes ist beim Aufstehen nichts mehr zu spüren. Der Kopf ist schwer, die Beine auch - und zwei Gläser Wasser müssen als Ersatz für das Frühstück herhalten. Später schiebe ich mir auf unserem Weg zum Mitfahrtreff zwar noch ein halbes trockenes Brötchen in den Magen - beruhigen läßt der sich allerdings davon nicht. Dazu vernehme ich immer wieder portionsweise geäußerte Kritik von Ute, welche zwar berechtigt ist, aber nicht unbedingt notwendig erscheint. Vielleicht sollte ich mich, aufgrund meines Gesamtzustandes, der Wandergruppe der heutigen Veranstaltung anschließen, welche von Gottesgab (Bozí Dar) zum Keilberg unterwegs sein wird? Doch ganz so will ich mich nicht hängen lassen. Dann bekomme ich womöglich noch die Ehrenmitgliedschaft im Burgstädter Wanderverein (ehemals Burgstädter Laufverein) überreicht und das ist definitiv noch zu früh im Lebenslauf.
Auf der Fahrt ins Böhmische informiert uns Sebastian über Details zur Strecke und zur Durchführung der Veranstaltung. Nachdem in Gottesgab alle formellen Dinge zum reibungslosen Ablauf der Veranstaltung geklärt sind, fahren wir hinab ins Tal zwischen Erzgebirge (Krusné hory) und Duppauer Gebirge (Doupovské hory) zur Eger (Ohre) nach Warta. Dort wird noch schnell der Plattfuß eines eben per Rad angereisten Teilnehmers behoben, ehe es an der Egerbrücke zum Start geht. Es folgen ein paar Worte des Organisators Frank Schönfeld zum zehnten (und höchstwahrscheinlich letzten) Duell Mensch-Maschine und Streckenverpfleger Axel Münch gibt kurz darauf den imaginären Startschuß.
Beginnend mit einer Asphaltstraße wird anfangs ein Großteil der Höhenmeter abgearbeitet. Bis zum ersten Getränkepunkt nach knapp drei Kilometern in Gemesgrün (Osvinov) ist gut ein Drittel der vertikalen Strecke absolviert. Zu diesem Zeitpunkt rangiere ich schon hinter Ute, welche mich noch vor Höll (Peklo) überholt hat. Doch das liegt jetzt nicht an einer exzellenten Berglaufbegabung ihrerseits, sondern diese Situation habe ich mir selbst eingebrockt. Ich habe zwar nicht mit persönlichen Bestwerten gerechnet, aber so einzugehen, hätte ich auch nicht vermutet. Zudem verspannt sich noch mein Rücken (beim vergeblichen, verkrampft wirkenden Windschattenfahrversuch hinter Ute) und ich muß nun größtenteils wandern. Auch auf dem nur leicht steigenden Wiesenweg nach der Ortslage kann ich kein Tempo mehr aufnehmen und werde noch von einem Radfahrer überholt. Der Rest des Tages ist dann dem aussichtslosen Kampf gegen den, sich im Generalstreik befindlichen Körper gewidmet. Dabei macht sich auch noch meine spartanische Lebensweise, durch den Verzicht auf feste Nahrung am Vortag bemerkbar: Selbstzerstörung! Selbst gewähltes Leid! Selber schuld!
Aber es ist ja nicht alles schlecht, an diesem Tag! Die Markierung der verwinkelten Strecke ist erstklassisch, was für mich überlebenswichtig ist, da der Sichtkontakt zu den Vorderleuten längst abgerissen ist und ich so nicht orientierungslos im Miriquidi verschollen gehe. Auch die von Axel Münch betriebene "mobile Wassertränke" sucht seines gleichen! Mit einem aufgelasteten Simson S50-Motorroller ist er ständig auf der Strecke unterwegs und versorgt die Teilnehmer mit Trinkbarem. Zu guter Letzt bekommt man, wenn man denn schon wandert, auch jede Menge von der Umgebung mit, und das bei perfektem Wanderwetter, welches mir zum Laufen schon wieder zu warm wäre! Als störend erweisen sich nur die Fliegen, welche in großer Menge treu dem Wanderer zur Seite stehen.
Bei rund neun Kilometern Wegstrecke ist nach der Passage am Wirbelstein (Meluzína, 1.094 m üNN) ein rund 300 Meter langes Bergabstück auf einem Plattenweg zur Tempoverschärfung eingebaut. Doch hierbei bremst mich dann mein schmerzender Rücken wieder aus. Es kann ja nicht alles klappen - daß aber gar nichts funktioniert, ist schon frustrierend! Egal, hoch zum Gipfel muß ich sowieso! Unter zwei Stunden dürfte ja wohl das minimalste Ziel sein - doch der Weg zieht sich. Alles nur gaaanz leicht steigend, keine große Herausforderung und trotzdem wandere ich. Das Plateau mit seinem regen Sonntagsverkehr der Keilbergausflügler ist nun erreicht und die Uhr mahnt zur Beeilung. Fürs Zielfoto nötige ich mich zum Laufschritt und empfange den (normalerweise) nicht verdienten Applaus der anderen Teilnehmer, welche stellenweise schon immense Wartezeiten hinter sich haben. Meine Uhr zeigt 1:59:49 Stunden, was gerade so dem Nötigsten entspräche. Zwar wird meine Urkunde später 2:00:37 Stunden ausweisen - bei dieser "Leistung" jedoch ein Veto einzulegen und meine Zielzeit anzufechten, verkneife ich mir.
Ein reichliches Angebot beim Zielbuffet ersetzt verlorene (oder nicht vorhandene) Kräfte beim Bergbezwinger - Erste Hilfe in Flüssigform (deutsches und böhmisches Bier, Biermischgetränke, ...) und herzhaftem Beiwerk (Käse-Tomaten-Spieße, Hackepeterbrötchen, ...). Eine Siegerehrung und das Knipsen kategoriebezogene Mannschaftsbilder runden die Veranstaltung ab. Zu Fuß gelangen wir danach zum Fahrzeug in Gottesgab. Ein (für alle Trainierten) schöner Tag geht somit zu Ende. Unser Dank gebührt denen, die trotz mangelnder Resonanz eine solche Veranstaltung organisieren und zur bleibenden Erinnerung werden lassen.
Das ganze Ausmaß des sportlichen Dilemmas im Hause Herfurt/Delling wird erst mit dem Vergleich der Zielzeiten sichtbar. Über zehn Minuten Zeitunterschied zwischen einer Frau, die nach eigenem Urteilungsvermögen zur Zeit "keinen Anstieg oder gar Berg hochkommt" und mir. Unvorstellbar! Wird Ute an diesem Nachmittag deshalb noch mehrfach von mir überdurchschnittlich gut gelaunt, sprich beim heimlichen Grinsen, erwischt? Kein Mitleid gibt es an diesem Tag zu Hauf für mich. Das wirft mich aber nicht um! Die nächsten Tage und Wochen werde ich wohl die Öffentlichkeit meiden, damit keine unbequemen Fragen aufkommen oder gar weitere Hänseleien stattfinden.
Ergebnis:
1. | Plöger, Udo | Biker | 1:18:02 h |
2. | Kretzschmar, Ruben | Biker | 1:19:40 h |
3. | Kretzschmar, Doreen | Biker | 1:23:47 h |
4. | Weiß, Ronny | Runner | 1:24:32 h |
5. | Erhardt, Andreas | Biker | 1:37:56 h |
6. | Birnstein, Olaf | Runner | 1:38:06 h |
7. | Homilius, Karl-Heinz | Biker | 1:40:52 h |
8. | Herfurt, Ute | Runner | 1:49:55 h |
9. | Klost, Sebastian | Runner | 1:55:52 h |
10. | Delling, Thomas | "Runner" | 2:00:37 h |
11. | Schönfeld, Frank | Runner | 2:02:14 h |
12. | Engewald, Steffen | Biker | 2:13:20 h |
Bilder vom MM10: